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BB-Standpunkte
31.03.2014
BB-Standpunkte
Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen: Transformation der Zahlungsverzugs-Richtlinie - ein Schritt in die richtige Richtung

Die letzte Bundesregierung hatte sich erstaunlich schwergetan, die Zahlungsverzugs-Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 (Nr. 2011/7/EU) rechtzeitig in geltendes Recht umzusetzen. Vor allem die Bauindustrie, aber auch - ganz allgemein - das Handwerk liefen gegen den Referentenentwurf des Justizministeriums mit guten Gründen Sturm (vgl. Graf von Westphalen, BB 2013, 515 ff.). Sie befürchteten - nicht zu Unrecht - eine erhebliche Verschlechterung der Zahlungsmoral in deutschen Landen, weil nämlich Zahlungsfristen von 60 Tagen zur Regel hätten werden können. Mittelstandsfeindlich war daher das Codewort in der politischen Debatte. Derweilen lief die Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie - 16.3.2013 - ab (vgl. Oelsner, NJW 2013, 2469 ff.); ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik ist die Folge. Erfreulich ist das kaum. Und ob das Datum der endgültigen Umsetzung der Richtlinie 2011/7/EU außerhalb von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Bundesrepublik im Rahmen einer Staatshaftung - Stichwort: Francovic-Rechtsprechung (EuGH, NJW 1992, 165) - nur mit Hilfe von richtlinienkonformen Auslegungsergebnissen zugunsten der Gläubiger erreicht werden kann, wird man abwarten müssen.

Nunmehr fordert § 271a Abs. 1 BGB-E, dass eine Vereinbarung, "nach der die Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung 60 Tage nach Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufforderung oder 60 Tage nach Empfang der Gegenleistung überschreitet, nur dann wirksam ist, wenn sie ausdrücklich getroffen und für den Gläubiger nicht grob nachteilig ist". Damit will der Gesetzgeber eine Höchstfrist für vereinbarte Zahlungsfristen oder Zahlungstermine festlegen (S. 14). Da der Terminus "ausdrücklich" im Gegensatz zu konkludent steht, ist damit gleichzeitig klargestellt, dass es sich sowohl um eine Individualabrede als auch um eine AGB-Klausel handeln kann. Erkennbar ist damit § 271a Abs. 1 BGB-E eine ergänzende Norm zu § 271 Abs. 1 BGB. Denn letztere Vorschrift legt fest, dass eine Leistung sofort fällig ist, wenn die Parteien die Leistungszeit weder bestimmt haben noch diese aus den Umständen zu entnehmen ist.

Neu ist, dass § 271a Abs. 5 BGB-E jetzt klarstellt: Sonstige Bestimmungen, "aus denen sich Beschränkungen für Vereinbarungen über Zahlungs- , Überprüfungs- oder Abnahmefristen ergeben", bleiben "unberührt". Hier ist nunmehr die begrüßenswerte, entscheidende Neuerung anzutreffen: § 308 Nr. 1a BGB-E sieht nunmehr vor, dass eine "unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners" dann vorliegt und deshalb im Zweifel unwirksam ist, wenn "eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung" für die Bezahlung der Entgeltforderung vereinbart wird. Per Saldo: Fristen von mehr als 30 Tagen - nach Empfang der Gegenleistung oder dem Zugang der Rechnung - sind "unangemessen lang".

Durch diese "Sonderregelung" (S. 21) ist das "Klassenziel" zugunsten des Mittelstandes - die Absicherung der diesen Unternehmen als Gläubiger zustehenden Liquidität gegenüber der Einkaufsmacht - weithin erreicht. Das gilt vor allem, wenn man zusätzlich beachtet, dass jetzt in § 308 Nr. 1b BGB-E bestimmt ist: Für die Frist betreffend Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung und eine daran anknüpfende Entgeltforderung ist im Zweifel eine Frist von mehr als 15 Tagen "nach Empfang der Leistung" unangemessen lang.

Der Rückgriff auf die Grundnorm des § 271a Abs. 1 BGB-E - eine Frist von mehr als 60 Tagen kann "ausdrücklich" vereinbart werden, wenn sie für den Gläubiger "nicht grob nachteilig ist" - hat daher nur noch akademischen Wert. Im Vordergrund steht abschließend auf der einen Seite das Leitbild der Leistungszeit nach § 271 Abs. 1 BGB und auf der anderen Seite die Verbotsnorm des § 308 Nr. 1a und b BGB-E. Denn auch wenn eine Vereinbarung "ausdrücklich" getroffen worden ist, indem eine entsprechende - lange - Zahlungsfrist in den Einkaufs-AGB eines Verwenders vorgesehen wird, fällt "im Zweifel" (S. 22) die Guillotine der Unwirksamkeit nach § 308 Nr. 1a BGB-E mit ihrer Frist von 30 Tagen, innerhalb derer die Entgeltforderung zu erfüllen ist (§ 30 BGB).

Ersichtlich geht damit der Referentenentwurf über die Richtlinie 2011/7/EU hinaus. Das ist deswegen sehr erfreulich, aber auch ganz und gar unproblematisch, weil diese Richtlinie nur auf eine Mindestharmonisierung zielt. Strengere nationale Regelungen sind also uneingeschränkt zulässig. Doch entscheidend wird es für die Praxis darauf ankommen, ob denn die klagebefugten Organisationen bereit sind, den Fehdehandschuh wirklich aufzugreifen, wenn denn marktmächtige Unternehmen - wie bisher - rigoros lange und unangemessen lange Zahlungsfristen vereinbaren. Das ist nach wie vor uneingeschränkt möglich, doch die politische Realität lässt bislang eine Klagebereitschaft von Verbänden und der Industrie- und Handelskammern nicht erkennen. Die Änderung des UKlaG schafft allerdings - außerhalb der Verwendung von AGB - eine weitere Möglichkeit, wenn die Haftung bei Zahlungsverzug beschränkt wird (§ 1a UKlaG-E).

Doch alle diese jetzt verfügbar gestellten - neuen und auch alten - Instrumente der richterlichen Inhaltskontrolle müssen nach Inkrafttreten dieser Novelle vor allem auch gegenüber der öffentlichen Hand im Rahmen einer Verbandsklage mutig und bereitwillig eingesetzt werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 UKlaG). Das war bisher ein beklagenswertes Defizit. Bliebe es dabei, ständen die Änderung von § 271a BGB-E und die hier kurz apostrophierten Folgeregeln nur auf dem Papier. Das aber entspricht nicht Sinn und Zweck von EU-Richtlinien, die dieses Mal gegenüber Unternehmen und nicht nur - wie bisher in zahllosen anderen Fällen - gegenüber Verbrauchern neues Recht schaffen. Der europarechtliche "éffet utile" verlangt die Effizienz einer ins nationale Recht transformierten EU-Richtlinie.

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