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BB-Standpunkte
13.02.2018
BB-Standpunkte
Michael Wiedmann: Menschenrechte im Fokus der Lieferkette – Umsetzung der CSR-Richtlinie

Mit der beginnenden Berichtssaison der DAX-Konzerne erhält auch in Deutschland die Berichterstattungspflicht über internationale Corporate Social Responsibility Einzug. Nach dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen, große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen erstmals dokumentieren, wie sie weltweit mit Umweltfragen, sozialen Belangen und insbesondere der Achtung der Menschenrechte im Rahmen ihres unternehmerischen Handelns umgehen. Doch die Berichte alleine sind nur die Spitze des Eisbergs. Von zentraler Bedeutung ist, wie die Konzerne konkret ihr soziales Handeln erfassen, bewerten und bei Bedarf Maßnahmen zur Erzielung messbarer Fortschritte einleiten. Dass ist schon allein in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte eine Herkulesaufgabe. Denn sie bezieht sich nicht nur auf eigene Mitarbeiter, sondern auf die gesamte Lieferkette - bis hin zu den Lieferanten von Rohstoffen oder Basisprodukten. 

Es vergeht keine Woche, in der nicht über Menschenrechtsverletzungen in der langen Lieferkette von global agierenden Unternehmen berichtet wird. Alle Industrien und Branchen sind betroffen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Elektromobilität oder Kakaoverarbeitung handelt. Beide haben eines gemeinsam: Sie benötigen Ressourcen, die immer knapper werden und aus Regionen stammen, in denen Recht und Rechtsdurchsetzung oft nur eine untergeordnete Rolle spielen.

So wird das für die Batterieherstellung benötigte Kobalt überwiegend in politisch instabilen Ländern und teilweise unter Zwangsarbeit abgebaut. Ähnliches gilt für Kakao. Die politischen Rahmenbedingungen und die grassierende Korruption zwingen die oft unterhalb der Armutsgrenze lebenden Bauern in Westafrika zum Einsatz von Kinderarbeit. 

Bis vor einigen Jahren mussten sich Unternehmen mit diesen Problemen in ihren immer länger und komplexer werdenden Lieferketten nicht auseinandersetzen. Vorgaben zu einer Art Supply Chain Due Diligence fehlten gänzlich. Dies änderte sich jedoch spätestens mit den 2011 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Sie wirkten wie eine Initialzündung. Seither sind weltweit viele Gesetze zum Schutz von Menschenrechten implementiert worden. 

Allerdings bedeuten die gesetzlichen Regelungen bisher eher ein vorsichtiges Herantasten. Viele dieser Gesetze weisen den Unternehmen keine konkreten, einklagbaren Verpflichtungen zu. Sie haben vielmehr ein großes Ermessen, wie sie das Gesetz unternehmensspezifisch umsetzen. Das gilt auch für das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz. 

Ein zu sorgloser Umgang mit Menschenrechten kann jedoch zu einem hohen, finanziell nicht kalkulierbaren Reputationsschaden führen. Denn das CSR-RUG setzt wie viele vergleichbare Regelungen auf das sog. „name and shame“-Prinzip. Damit soll der freiwillige Antrieb der Unternehmen beflügelt werden, das Thema ernsthaft und nachhaltig zu verfolgen. Denn welches Unternehmen will schon öffentlich in der Kritik stehen, weil es Menschenrechtsstandards verletzt hat, sich in seinen Berichten aber eine weiße Weste bescheinigen ließ? 

Im Gegensatz zu deutschen Unternehmen mussten die Unternehmen in Großbritannien seit Verabschiedung des „UK Modern Slavery Act 2015“ schon zum zweiten Mal über den Umgang mit Menschenrechten berichten. Auswertungen der aktuellen Berichtsaison zeigen, dass die Erklärungen zur Lieferketten Due Diligence eher knapp ausfallen. Es fehlt also weiterhin an einer daraus abgeleiteten Prioritätensetzung. 

Auf was müssen sich deutsche Unternehmen in den kommenden Jahren einstellen?

Die Bundesregierung hat ihre Erwartungen im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte Ende 2016 in ihrem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) konkretisiert. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag bekräftigen die Regierungsparteien, den NAP konsequent umzusetzen. Zwar ist die Implementierung eines Prozesses zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt bisher noch nicht für alle Unternehmen gesetzlich verpflichtend. Allerdings hat sich die Bundesregierung für den Fall mangelhafter Umsetzung vorbehalten, „weitergehende Schritte bis hin zur erheblichen Erweiterung des Kreises der zu erfassenden Unternehmen“ zu prüfen. 

Teile des Aktionsplans sind bereits umgesetzt worden. Beispielsweise wurde ein Gesetz zur Hinterbliebenenentschädigung erlassen, das am 22.7.2017 in Kraft getreten ist. Das Gesetz ermöglicht es Familien, die ihre Angehörigen durch eine Menschenrechtsverletzung verloren haben, von dem verantwortlichen Unternehmen eine angemessene Entschädigung in Geld zu fordern. Sie wird sowohl bei der Verschuldens- als auch bei der Gefährdungshaftung gewährt. Die Beachtung der Menschenrechte ist kein ausschließlich deutsches oder europäisches Thema. Seit dem Anstoß durch die Vereinten Nationen wurden inzwischen weltweit in 20 Ländern Nationale Aktionspläne implementiert. Weitere sind bereits auf sämtlichen Kontinenten in Planung. 

Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie ihre Compliance-Bemühungen zur Achtung von Menschenrechten global ausrichten müssen. Mit der Berichtspflicht nach dem CSR-RUG beginnt in Deutschland eine neue Ära in Bezug auf den Umgang mit Menschenrechten. Die Berichte sind öffentlich einsehbar. Es ist davon auszugehen, dass sich neben den Shareholdern und Investoren auch die einschlägigen NGOs intensiv mit dem sozialen Fußabdruck der Unternehmen auseinandersetzen werden. Der sich daraus ergebende Lernprozess sollte als Chance genutzt werden, die CSR-Compliance insgesamt zu verbessern und so der globalen Verantwortung für die Lieferkette gerecht zu werden. 

Michael Wiedmann ist Of Counsel bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt a. M. und leitet die Compliance-Praxis am Standort. Er berät internationale Unternehmen bei allen Fragen der Compliance und Corporate Governance. Norton Rose Fulbright ist eine international agierende Anwaltskanzlei mit mehr als 4000 Rechtsanwälten weltweit und einer global aufgestellten Arbeitsgruppe „Business and Human Rights“.

 

 

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