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BB-Standpunkte
19.06.2017
BB-Standpunkte
Dr. Jens Freiberg: IFRS 17 – Schaffung eines Level Playing Field für die Abbildung von Versicherungsverträgen, endlich oder doch leider?

Mit der Verabschiedung des IFRS 17 endet ein nahezu zwei Dekaden schwelendes – mal mehr oder weniger intensiv verfolgtes – Projekt, welches durchaus genügend Material für eine unendliche Geschichte geboten hat. Der lediglich als Interimslösung angedachte und für die Anerkennung der IFRS in der EU benötigte IFRS 4 verpflichtete zwar auf Anhangangaben (disclosure), wies aber keine eigenständige Konzeption für Ansatz (recognition) und Bewertung (measurement) auf. Künftig ist eine Zeitwertbewertung von Versicherungsverträgen geboten, abzustellen ist – nach dem General Model (IFRS 17.40) – auf die Summe der

–   barwertigen und risikoadjustierten Leistungsverpflichtung aus der Zusage (fulfilment cash flow) und

–   der erwarteten Marge für den Versicherungsgeber (contractual service margin).

Nur ausnahmsweise kann auf einen vereinfachten Ansatz (premium allocation approach) zurückgegriffen werden (IFRS 17.53). Mit dem nunmehr vorliegenden Regelwerk ergibt sich eine Vielzahl von Änderungen für die bilanzielle Abbildung. Herausforderungen stellen sich nicht nur für den Ersteller, sondern auch für den Adressaten des Abschlusses: 

Themenstellung

Konzeptionelle Forderung

Komplexität

Bildung von Portfolien und Gruppierungen

  • Anpassung bestehender Modelle
  • Einmalige Einschätzung der Homogenität
  • Bestimmung der Risikoklasse
  • Festlegung von mehr Gruppen als gefordert
    • Ø moderat
    • Ø n/a
    • Ø hoch
    • Ø hoch
 

Ansatz und Zugangsbewertung

  • Entwicklung des (Barwert-)Modells
  • Sicherstellung der Konsistenz mit Markterwartungen
  • Identifizierung einzelner Risiko-Komponenten
  • Ermittlung der Contractual Service Margin
    • Ø hoch
    • Ø hoch
    • Ø hoch
    • Ø moderat
 

Folgebewertung

  • Berücksichtigung aller Informationen
  • Technische Umsetzung der neuen Buchungslogik
  • Umgang mit einem Accounting Mismatch
  • Disaggregation von notwendigen Risikoanpassungen
    • Ø hoch
    • Ø hoch
    • Ø hoch
    • Ø hoch
 

Anhangangaben

  • Separierung von einzelnen Risikokomponenten
  • Festlegung des Detaillierungsgrades
    • Ø moderat
    • Ø hoch
 

Inhaltlich knüpfen die Vorgaben des IFRS 17 für die Bewertung von Versicherungsverträgen an die methodischen Grundlagen für die Risikovorsorge nach dem Expected Credit Loss für Finanzinstrumente an. Es sind alle „reasonable and supportable“ Informationen für eine unverzerrte (unbiased) Schätzung der künftigen Ressourcenabflüsse heranzuziehen (IFRS 17.33(a)). Für die betroffenen Unternehmen ergeben sich daher vergleichbare Herausforderungen für die Umsetzung. Die 2021 ablaufende Frist ist daher alles andere als großzügig bemessen. Die Ankündigung des IASB, eine Transition Ressource Group (TRG) einzuberufen, dürfte daher auch für gemischte Gefühle sorgen. Fortwährende Diskussionen zur Umsetzung der Vorgaben laufen gegen die Zeit, die für eine inhaltliche und technische Umsetzung der Anforderungen bleibt. In der Gleichung nicht zu vernachlässigen ist die Intervention der Regulatoren. IFRS 17 weist zwar Ähnlichkeiten zu den Solvabilitätsvorschriften für die Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen (Solvency II) auf, es gibt aber auch Divergenzen. Eine vorzeitige Anwendung ist in einer Gesamtschau wohl nicht zu erwarten. Spannend bleibt für die Adressaten nur der Blick auf den zunehmenden (?) Fortschritt der Umsetzung in den kommenden Abschlüssen, besteht doch die Pflicht der Unternehmen die erwarteten Auswirkungen offenzulegen (IAS 8.30). 
Die Schaffung eigener Vorgaben für die bilanzielle Abbildung von Versicherungsverträgen führt zu einem Level Playing Field. Für die Wertung ist es aktuell noch zu früh. Es verhält sich wie mit Geschenken: Erst wenn man diese ausgepackt hat, weiß man, ob man sich freut oder doch enttäuscht ist.

Dr. Jens Freiberg, WP, ist Leiter der Zentralabteilung Rechnungslegung der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Standort Düsseldorf und Ständiger Mitarbeiter des „Betriebs-Berater“.

 

 

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