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BB-Standpunkte
30.05.2016
BB-Standpunkte
Dr. Hans-Joachim Fritz: Die „heißen Zeiten“ sind nicht vorbei – Geschäftsführer können sich nach „Media-Saturn“ nicht ohne weiteres freizeichnen

Es klingt wie eine Binsenweisheit, schien aber zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten zu sein: Geschäftsführer führen einerseits die Geschäfte einer GmbH. Andererseits sind sie dabei an verschiedene Beschränkungen gebunden, vor allem an Weisungen der Gesellschafter gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG, welchen sie unbedingt Folge zu leisten haben. Die Weisungen müssen auf der Grundlage eines wirksamen Beschlusses zustande gekommen sein und dürfen nicht gegen geltendes Recht oder gegen die guten Sitten verstoßen. In der Vorinstanz hatte das OLG München mit Urteil vom 14.8.2014 (Az.: 23 U 4744/13, GmbHR 2015, 84) Geschäftsführern noch eine Entlastung durch die Hintertür eingeräumt – sogar für Maßnahmen, die nicht einer Zustimmung unterworfen gewesen wären. Die Richter erachteten das Abstimmungsverhalten eines Hauptgesellschafters zu (regulären) geplanten Standortmaßnahmen für treuwidrig, wenn er gegen sie stimmte, obwohl er sich mit ihnen inhaltlich einverstanden sah.

Wäre es dabei geblieben, hätte das weitreichende Folgen gehabt: Geschäftsführer – zumindest wenn sie es geschickt anstellen – könnten jede nicht ganz risikofrei erscheinende und nicht zwingend zustimmungspflichtige Maßnahme bei den Gesellschaftern zur Abstimmung stellen, ohne sich Gedanken zu machen, ob sie nach ihrem Dafürhalten im Interesse der Gesellschaft ist. Würden die Anteilseigner die Maßnahme mehrheitlich ablehnen, dann müssten die Organvertreter diese Entscheidung akzeptieren. Wenn die Gesellschafter allerdings zustimmten, dann wären die Geschäftsführer bei der Umsetzung entlastet – in den heutigen Zeiten von Compliance die perfekte „Cover my ass“-Strategie für den Geschäftsführer, der sich auf keine Risiken einlassen will.

Der BGH hat dieser Vorgehensweise in seinem Urteil vom 12.4.2016 (II ZR 275/14) die Grundlage entzogen und nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde die Entscheidung des Berufungsgerichts verworfen. Gesellschafter sind in ihrem Abstimmungsverhalten grundsätzlich frei. Eine gesellschaftsrechtliche Treupflicht bei der Stimmabgabe trifft sie erst, wenn dies zur Erhaltung der geschaffenen Werte objektiv unabweisbar erforderlich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist. Folge: Das in diesem Fall viel bemühte „Erhalten der gesellschaftsvertraglichen Kompetenzordnung“, also: Geschäftsführung bei den Geschäftsführern und Zustimmung der Gesellschafter nur in besonderen Fällen, darf als Motiv für ein Abstimmungsverhalten ausschlaggebend sein, selbst wenn es unsinnig ist. Die beabsichtigten Standortmaßnahmen, die im konkreten Fall „nicht als unabweisbar“ galten, hätten von der Geschäftsführung auch ohne weitere Mitwirkung des Gesellschafterkreises vorgenommen werden können. Immerhin hatte letztlich der Minderheitsgesellschafter, Gründer einer zwischenzeitlich europaweit führenden Elektronikkette, die Behandlung der Angelegenheit über § 50 GmbHG erzwungen. Er steht allerdings mit dem Mehrheitsgesellschafter in einer Dauerfehde, in der grundlegende Themen der Corporate Governance im GmbH-Recht bis zur höchsten Instanz schon seit Jahren ausgetestet werden.

Der II. Zivilsenat des BGH hat jetzt die verkehrte Welt im GmbH-Recht wieder ins Lot gebracht. Wenn Gesellschafter den Geschäftsführern Freiheiten lassen (können), gibt es keinen Anlass, sich die Entlastung durch die Hintertür – auch nicht über Bande mittels eines aktiven Minderheitsgesellschafters – zu holen. Geschäftsführer sind eben nicht so unabhängig wie Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft, welche „unter eigener Verantwortung“ die Gesellschaft leiten. Es bleibt unterm Strich bei einer alten Weisheit: Wer die Hitze des Geschäfts nicht verträgt, hat in der Küche (der Geschäftsleitung) nichts verloren.

Dr. Hans-Joachim Fritz ist Partner im Frankfurter Büro von Kaye Scholer LLP und leitet die deutsche Praxisgruppe Arbeitsrecht. Er verfügt als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für Arbeitsrecht über langjährige Erfahrung in arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Um- und Restrukturierungen von Unternehmensgruppen, Teilkonzernen und Beteiligungsgesellschaften sowie in der Prozessführung bzw. in der alternativen Streitbeilegung (Mediation).

 

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