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BB-Standpunkte
10.11.2014
BB-Standpunkte
Prof. Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider: Compliance mit der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance

1. Das Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht wandelt sich zunehmend und bestimmt heute tiefgreifend die Wirklichkeit der Institute, ihre Geschäftspolitik, das Tagesgeschäft, aber auch ihre Corporate Governance. Früher wurden vor allem Anforderungen an das aufsichtsrechtliche Eigenkapital und die Liquidität gestellt. In den letzten Jahren greift in Ergänzung dazu das Aufsichtsrecht zunehmend in die Corporate Governance der Institute ein, überlagert und ergänzt auf diese Weise die gesellschaftsrechtliche Corporate Governance.

2. Exemplarisch sind die Vergütungsregeln. Die aktienrechtlichen Vergütungsregeln gelten für alle Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, unabhängig von der Größe und der Branche des Unternehmens, unabhängig von der Zahl der Mitarbeiter und  den übernommenen Risiken. Ausformuliert wurden diese Vergütungsregeln durch das Vorstandsvergütung-Angemessenheitsgesetz (VorstAG). Ziel dieses Gesetzes ist die Sicherung einer nachhaltigen, auf langfristigen Bestand und Ertrag ausgerichteten Unternehmensführung. Gesamtwirtschaftliche Ziele haben allenfalls mittelbare Bedeutung. Die aufsichtsrechtlichen Vergütungsregeln, niedergelegt in der Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssystemen von Instituten vom 7.3.2014 (Instituts-Vergütungsverordnung), dienen zwar auch der langfristigen Orientierung. Sie sollen aber vor allem Fehlanreize im Interesse der guten Ordnung im Bankenmarkt im Interesse des Bestandsschutzes der Institute, zum Schutz der Einleger und der Steuerzahler, die bei Krisen aushelfen müssen, verhindern.  

3. Da das Aufsichtsrecht rechtsformübergreifend anwendbar ist, gelten dieselben Regeln für alle Institute unabhängig von der konkreten Rechtsform. Auf der anderen Seite ist Folge der aufsichtsrechtlichen Regelungsordnung, dass es besondere Vergütungsregeln für „bedeutende Institute“ gibt, weil bei diesen Instituten die Gefährdung der guten Ordnung durch Fehlanreize besonders groß ist. Das führt dazu, dass bei Instituten, die in derselben Rechtsform organisiert sind, unterschiedliche aufsichtsrechtliche Vergütungsregeln anwendbar sein können.

4. Die Ausgestaltung der Corporate Governance durch das Aufsichtsrecht ist auf allen Ebenen vorangetrieben worden, durch den Basler Ausschuss etwa durch die Principles for enhancing corporate governance, durch die Europäische Union und durch den deutschen Gesetzgeber. Dabei ist die aufsichtsrechtliche Überlagerung ganz breitflächig. Sie reicht von der Einsetzung besonderer Organe und Ausschüsse, etwa den Vergütungskontrollausschuss, über besondere organisationsrechtliche Pflichten z. B. zum Risikomanagement bis hin zu Eignungsvoraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder.

5. Für die Compliance führt dies zu besonderen Herausforderungen. Zu fragen ist nicht nur, welche Anforderungen an die Compliance im Blick auf die aufsichtsrechtliche Corporate Governance bestehen, sondern auch, ob der Compliance-Beauftragte auch für die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Corporate-Governance-Regeln zuständig ist und zu sorgen hat. Die Fragen sind gewiss nicht ausdiskutiert. Dabei hat man sich vor Augen zu führen, dass Compliance im engeren Sinn die besonderen Organisationspflichten der Unternehmensleitung beschreibt. Für die Corporate Governance im Unternehmen ist jedoch in erster Linie die Unternehmensleitung, der Aufsichtsrat und unter Umständen auch die Versammlung der Gesellschafter zuständig. Die Einhaltung dieser Bestimmungen, die damit verbundenen Aufgaben, sind in der Regel nicht delegierbar. So kann etwa die Sorge um die Einhaltung der Eignungsvoraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder nicht auf nachgeordnete Mitarbeiter übertragen werden. Insoweit ist es auch nicht die Aufgabe des Compliance-Beauftragten, für die Befolgung der aufsichtsrechtlichen Corporate Governance zu sorgen. Unter Umständen ist dafür ein besonderes Gremium berufen. So hat nach der Vergütungsverordnung die Geschäftsleitung eines bedeutenden Kreditinstitutes „unbeschadet ihrer Verantwortung“ einen beratenden Ausschuss einzurichten, „der die Angemessenheit der Vergütungssysteme überwacht“. Damit ist ausformuliert, was in der Regel gilt: die Einhaltung der gesellschaftsrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Corporate-Governance-Regeln ist eine nicht delegierbare Aufgabe der jeweiligen Unternehmensorgane.

AUTOR
Prof. Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider, Institut für deutsches und internationales Kreditrecht Universität Mainz und of Counsel Schmitz & Partner Rechtsanwälte, Mainz/Frankfurt a. M.

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