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BB-Standpunkte
10.03.2014
BB-Standpunkte
Alexander R. Zumkeller: Arbeitsrechtler in Unternehmen brauchen verlässliche Rechtsgrundlagen

Die Unternehmenspraxis braucht verlässliche Rechtsgrundlagen - und darf nicht Spielball der Politik sein. Gerade jetzt, wo sich eine neue Regierungskoalition formt, muss dieser Anspruch deutlich artikuliert werden. Die Praktiker im Arbeitsrecht erheben insoweit klare Forderungen an Gesetzgebung, in der Folge aber auch Rechtsprechung. Diese mögen teils recht profan anmuten, werden damit aber nicht unwichtiger:

Unwirksam (gewordene) Gesetze gehören korrigiert. Dazu gehört, dass nach Jahren, nach denen die Rechtsprechung gesetzliche Regelungen für nichtig erklärt hat, diese nun endlich zu korrigieren sind. Z. B. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB - Betriebszugehörigkeitsjahre sollen danach erst ab dem 25. Lebensjahr zählen - seit Jahren europarechtswidrig, immer noch im Gesetz - das gehört im Sinne der Rechtsklarheit unverzüglich korrigiert.

Gesetzesvorhaben, die seit Jahren schlummern, häufig aus gutem Grund (z. B. Beschäftigtendatenschutz), sollten endlich entweder umgesetzt oder von der Tagesordnung genommen werden, um "Schwebezustände" aufzuheben. Die Ankündigung im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, auf den europäischen Gesetzgeber zu warten, hilft ebenfalls nicht weiter. Ein entscheidungsfreudiger Gesetzgeber ist angezeigt - hopp oder topp!

Versteckspielen verboten: Arbeitsrechtliche Gesetze sind wichtig genug, dass sie offen diskutiert und verabschiedet werden. In einem Artikelgesetz versteckt (wie die Änderung des § 613a BGB im Art. 4 des Seemannsrechtsänderungsgesetzes) wird dem nicht gerecht.

Schwierig, aber deswegen nicht unmöglich: einmal eingeführte termini technici sind einheitlich zu verwenden. Der Gesetzgeber sollte zurückfinden zu einheitlicher Sprachweise; wird ein terminus technicus eingeführt und benutzt, sollte dieser im Sinne der Rechtsklarheit weiterverwendet (der "Leitende Angestellte" in § 5 BetrVG versus § 14 KSchG) werden. Auslegungsfragen sind, wo möglich, zu vermeiden.

Unbestimmte Rechtsbegriffe sind sinnvoll, soweit sie gesellschaftliche Veränderungen abbilden können und sollen und eine praktische Heuristik nach sich ziehen (z. B. § 1 KSchG). Sie schaffen aber auch Rechtsunsicherheit. Daher sind sie in Diskussion mit der betrieblichen Praxis im Vorfeld einer gesetzlichen Regelung zu erörtern und zu evaluieren, ob sie nicht durch klare Regelungen ersetzt werden sollten (wie "Gemeinschaftseinrichtungen" in § 13b AÜG - Achtung: Verwechslungsgefahr mit "Sozialleistungen" in § 87 BetrVG). Und Einschränkungen von gesetzlichen Regelungen gehören dorthinein, und nicht in die Gesetzesbegründung (so zu § 9 Nr. 2a AÜG, dass eine Ausnahme vom Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen möglich ist, wenn ein "unverhältnismäßig hoher Organisations- bzw. Verwaltungsaufwand" gegeben ist).

Gesetze müssen verfassungsgemäß und europarechtskonform sein, eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Seit Jahren schwelt etwa die Diskussion zu einer Gesetzgebung zur "Tarifpluralität". Vor Eintritt in das Gesetzgebungsverfahren ist zu prüfen, ob ein solches Gesetz überhaupt erforderlich ist. Und vor Eintritt in die Gesetzgebung sollte ebenfalls überprüft werden, ob dies einfachrechtlich oder nur im Rahmen vielleicht einer Grundgesetzänderung möglich ist.

Auch die im Koalitionsvertrag beabsichtigte Deckelung einer Verleihdauer auf 18 Monate muss vor einer gesetzlichen Umsetzung auf ihre Wirksamkeit im Verhältnis zur europäischen Richtlinie geprüft werden. Schon, weil der vielfach diskutierte Begriff "vorübergehend" aus der Richtlinie übernommen wurde. Erlaubt der europäische Gesetzgeber tatsächlich eine, und wenn ja solche konkrete zeitliche Deckelung?

Schließlich unterliegen Unternehmen ständigen Innovationsprozessen - und das Arbeitsrecht muss dem gleichen Wandel mit Augenmaß unterliegen! Rechtsvorschriften, die (inzwischen) nicht mehr praxistauglich sind, sind im Sinne der Rechtssicherheit gemeinsam mit den Anwendern, unabhängig von sozialpolitischen Forderungen, zu diskutieren und fortzuentwickeln. Neue Entwicklungen in einer globalisierten Arbeitswelt sind zunehmend im deutschen Arbeitsrecht zu berücksichtigen. "Mobile Arbeit", grenzüberschreitende Telearbeit oder Arbeit in Konzern- sowie internationalen Strukturen müssen durch entsprechend angepasste und flexible arbeitsrechtliche Regelungen in ihrer Entwicklung flankiert werden. Das trifft auch auf den Wandel soziokultureller Hintergründe zu - neue Generationen von Menschen und Beschäftigten fordern neue Arbeitsbedingungen und damit angepasste gesetzliche Vorschriften. Gleichermaßen gilt, dass nicht jede neue Entwicklung Anlass dafür sein kann, das Vorschrifteninstrumentarium zu erweitern. Es ist Augenmaß geboten. Nicht jeder sozialpolitische Ruf muss auch gleich in gesetzliche Neuregelungen münden.

Arbeitsrecht befasst sich mit der wichtigsten Resource im Unternehmen: dem Menschen, seinem Know-how. Arbeitsrecht ist - neben Vertrauen, Motivation, Unternehmenskultur und unternehmerischer Risikobereitschaft - die Basis des Zusammenarbeitens im Unternehmen. Und alle Kolleginnen und Kollegen, die als Arbeitsrechtler im Unternehmen täglich in einem der vielseitigsten und anspruchvollsten Berufe tätig sind, haben klare Rechtsgrundlagen für die Gestaltung in der Unternehmenspraxis verdient.

Dies kommt allen Stakeholdern des Arbeitsrechtlers im Unternehmen zugute - Betriebsräten, Geschäftsleitung, Führungskräfte, Kollegen anderer Rechtsbereiche, dem Accounting, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Gerichten und externe Anwälten. Rechtsfrieden zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sowie die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern sind nach wie vor Erfolgsfaktoren, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Die ein oder andere (frühzeitige) Klarstellung im Rahmen der Gesetzgebung oder die Berücksichtigung dieser Ziele durch die Rechtsprechung mag doch ein guter Vorsatz nicht nur für das Jahr 2014 sein.

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