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BB-Standpunkte
16.05.2016
BB-Standpunkte
Jens Berger: Alternative Leistungskennzahlen – Fluch und/oder Segen?

Die Gruppe der alternativen Leistungskennzahlen – zuweilen auch Non-GAAP oder Alternative Performance Measures (APM) genannt – erfreut sich in Geschäftsberichten und sonstigen Mitteilungen von Unternehmen wachsender Beliebtheit. Wie der Name schon sagt, sind diese Kennzahlen nicht unmittelbar von den Rechnungslegungsvorschriften vorgegeben. Vielmehr definieren Unternehmen diese Kennzahlen mit der Zielsetzung, eine Größe zu finden, die ein guter Indikator für die Leistungsbeurteilung ist. Jeder Leser von Abschlüssen kennt Größen wie EBIT, EDITDA, ROCE oder FFO. Jedoch gibt es dafür keine einheitlichen bzw. vorgegebenen Definitionen, und so sind diese Größen häufig kein Maßstab für zwischenbetriebliche Vergleiche oder sonstige Fragestellungen. Im Regelfall kann man also nur einen relativen Vergleich mit derselben Kennzahl desselben Unternehmens in Vorjahren vornehmen. Daneben hängt solchen Kennzahlen zumeist der Ruf der „earnings before bad stuff“ an, also ein um die „unschönen“ Effekte bereinigtes Jahresergebnis. Seit einiger Zeit ist die zunehmende Verwendung von APM in das Fadenkreuz der Aufsichtsbehörden geraten. Jüngst hat die SEC wieder bei diversen Gelegenheiten den mahnenden Finger erhoben, dass solche Kennzahlen ergänzend und nicht ersetzend für die Kennzahlen aus den jeweiligen Rechnungslegungsvorschriften (wie der Jahresüberschuss) sind und die Überleitbarkeit auf die festgelegten Rechnungslegungsgrößen transparent möglich sein muss. Auch in Europa hat die Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA das Thema aufgegriffen und Leitlinien für die Nutzung von (finanziellen) APM veröffentlicht (ESMA Guidelines on Alternative Performance Measures, link). Diese sind verpflichtend für regulierte Mitteilungen und Prospekte ab dem 3.6.2016, der Tag der erstmaligen Anwendung der neuen EU-Marktmissbrauchsverordnung, anzuwenden. Dies betrifft in Deutschland vor allem den Lagebericht, nicht jedoch den Abschluss nach einem anerkannten Rechnungslegungsrahmen wie den IFRS – hier sieht man keine Notwendigkeit, in den laufenden Standardsetzungsprozess im Rahmen der „Disclosure Initiative“ des IASB einzugreifen. Wenn ein Unternehmen APM nutzt, dann sollen diese klar definiert, im Zeitablauf konsistent und nicht verwirrend sein (z. B. sollte man keinen Posten als „außergewöhnlich“ oder „nicht-wiederkehrend“ bezeichnen, obwohl diese regelmäßig auftreten können, wie z. B. Restrukturierungskosten). Daneben wird gefordert, dass jede APM auf die im Abschluss ausgewiesenen Beträge übergeleitet wird. Ebenso soll ein Unternehmen ausführlich erläutern, warum es diese APM einsetzt und für zweckmäßig hält. Letztendlich wird gefordert, dass die APM nicht von den Zahlen im Abschluss ablenken dürfen, z. B. indem sie über Gebühr hervorgehoben werden.

Wie wirken sich die Vorgaben von ESMA auf deutsche Unternehmen aus? Grundsätzlich gibt es in DRS 20 „Konzernlagebericht“ bereits umfangreiche Leitlinien für die Darstellung von finanziellen Leistungsindikatoren. Auch hier ist bereits die Erläuterung und Überleitung von APM (und GAAP Measures – je nach interner Steuerung) vorgesehen. Ebenso sind Änderungen bei der Nutzung der APM auszuführen. Damit dürfte bereits ein hoher Abdeckungsgrad erreicht sein. Der vielleicht gravierendste Unterschied ist die Frage der Hervorhebung – hier schweigt sich DRS 20 aus, während die ESMA-Leitlinien eindeutige Vorgaben machen.

Die stärkere Überwachung von APM ist ein konsequenter Schritt der Aufsicht, der grundsätzlich zu begrüßen ist. Es ist zwar immer schwierig, einen Rahmen in unreguliertem Terrain vorzugeben, jedoch ist die Transparenz hinsichtlich solcher APM für die Nutzer von Finanzinformationen als vertrauensbildende Maßnahme zu verstehen, und von Vertrauen leben letztendlich die Kapitalmärkte. Sofern sich ein Unternehmen mit den Leitlinien noch nicht beschäftigt hat, ist jetzt die Zeit gekommen, damit zu beginnen. Wohlgemerkt – es sollte sich kein umfassender Änderungsbedarf für deutsche Unternehmen ergeben.

Dipl.-Kfm. Jens Berger, CPA, ist Partner beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte in Frankfurt a. M. und Leiter des deutschen IFRS Centre of Excellence.


Zu diesem Thema erscheint in Kürze im Betriebs-Berater folgender Beitrag:

Dr. Heike Bach und Dipl.-Kfm. Jens Berger, CPA

ESMA-Leitlinien zu alternativen Leistungskennzahlen: "EBIT, ROCE & Co." besser verstehen

 

 

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