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Arbeitsrecht
15.09.2017
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Kein 3-Minuten-Takt für Taxifahrer

ArbG Berlin, Urteil vom 10.8.2017 – 41 Ca 12115/16

Volltext:BB-ONLINE BBL2017-2229-2

Leitsätze

1. Auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind mindestlohnpflichtig (BAG vom 29.06.2016 - 5 AZR 716/15).

2. Standzeiten und sonstige Zeiten, in denen ein Taxifahrer bereit ist, einen Fahrauftrag auszuführen, sind Arbeitsbereitschaft oder jedenfalls Bereitschaftsdienst.

3. Ein Arbeitnehmer hat seine Arbeitszeit darzulegen und zu beweisen (BAG vom 18.04.2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14). Es gilt eine gestufte Darlegungs- und Beweislast. Dabei sind die jeweiligen Besonderheiten der betrieblichen Abläufe zu berücksichtigen (BAG vom 21.12.2016 - 5 AZR 362/16 - Rn. 23).

4. Für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst gilt Entsprechendes.

5. Ein Taxifahrer genügt seiner primären Darlegungslast, wenn er die vom Arbeitszeiterfassungsmodul des Taxameters seines Arbeitgebers erfassten Zeiten, in denen er als verfügbar angemeldet war, vorträgt und behauptet, in dieser Zeit arbeitsbereit gewesen zu sein.

6. Der Arbeitgeber hat dann die sekundäre Darlegungslast darzulegen, dass der Fahrer zwar angemeldet, aber nicht arbeitsbereit war.

7. Für den Nachweis fehlender Arbeitsbereitschaft des Fahrers kann der Arbeitgeber dem Fahrer die Benutzung von Kontrolleinrichtungen vorschreiben.

8. Die täglichen konkreten Arbeits- und Pausenzeiten des Arbeitnehmers sind personenbezogene Daten i.S.d. § 3 Abs. 1 BDSG und dürfen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies u.a. für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses „erforderlich“ ist. Erforderlichkeit i.S.d. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG heißt Verhältnismäßigkeit. Verhältnismäßigkeit setzt Geeignetheit, Erforderlichkeit i.e.S.  und Zumutbarkeit voraus (BAG vom 17.11.2016 - 2 AZR 730/15 - Rn. 30). Die gleichen Anforderungen ergeben sich unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1, 2 GG) des Fahrers (BAG, ebd.).

9. Verlangt der Arbeitgeber vom Taxifahrer, während des Wartens auf Kunden alle drei Minuten eine Signaltaste zu drücken, um seine Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren, so ist dies - wenn überhaupt erforderlich - nicht zumutbar. Das Interesse des Arbeitgebers den Arbeitnehmer zu kontrollieren verlangt im Taxigewerbe keine so intensive Überwachung bloßer Arbeitsbereitschaft des Arbeitnehmers.

10. Verwendet der Arbeitgeber ein unwirksames Kontrollsystem und beschränkt er seinen Vortrag auf die Darlegung der automatisch summierten „Pausenzeiten“, so obliegt es ihm im Rahmen seiner gestuften Darlegungslast, den klägerischen Vortrag anderweitig substantiiert zu bestreiten. Ist ihm das nicht möglich, liegt das in seiner Organisationssphäre. Die Wahl eines wirksamen Kontrollsystems ist Sache des Arbeitgebers.

Gesetz: BGB § 611, BDSG § 32 Abs. 1 Satz 1, GG Art. 1, 2, MiLoG §§ 1, 2, 3, ZPO  § 138

Sachverhalt

Die Beklagte betreibt ein Taxiunternehmen. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 12.08.2004 als Taxifahrer beschäftigt. Die Parteien streiten über einen Mindestlohnanspruch des Klägers für die Zeit vom Januar 2015 bis einschließlich April 2016 für streitige Zeit der Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaftszeit.

Nach seinem vorletzten Arbeitsvertrag mit der Beklagten war der Kläger mit einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden unter Vereinbarung einer Umsatzprovision beschäftigt. Im Hinblick auf die Einführung des Mindestlohnes zum 01.01.2015 vereinbarten die Parteien für die Zeit ab dem 01.01.2015 einen neuen Arbeitsvertrag (Anlage K 1). Im Arbeitsvertrag ist unter anderem geregelt:

"§ 2 Arbeitszeit / ..

(1) Die Lage der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich nach den betrieblichen Gepflogenheiten. Die Arbeitszeit umfasst regelmäßig 6 Tage in der Woche ...

§ 3 Vergütung

(1) Für seine Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer eine Stundenvergütung. Diese beträgt grundsätzlich mindestens 8,50.-€ Brutto pro gearbeitete Stunde. ...

(2) Beispiel Lohnberechnung ...

6Tage a 8Stunden x8,50.-€ 408.-€ Brutto.

21Arbeitstage x 8,00St.x 8,50.-€ - 1428,00-€Brutto. Bei diesem Beispiel liegt die dazu eingefahrene Einfahrsumme bei 3.396,00.-€. ...

(3) Die Vergütung wird jeweils bis zum 30. des dem jeweiligen Kalendermonat folgenden Monats auf der Grundlage der durch den Arbeitnehmer zu erstellenden Abrechnung ... überwiesen. ...

§ 11 Verfallklausel

(1) Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ... sind von beiden Vertragsparteien innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Fälligkeit ... geltend zu machen."

In Ziffer 8. der Betriebsordnung (Anlage B 1, Bl. 61 d.A.) heißt es u.a.:

"Arbeitszeit":

"Die Arbeitszeit umfasst die Personenbeförderung, Nebentätigkeiten wie Tanken, Waschen, Reinigung ist Vor- bzw. Nachbereitung. Sie beginnt mit der Aufnahme der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und endet mit Beendigung derselben. ...

Der Taxameter hat Stechuhreigenschaften und ist Arbeitszeit Überwacher und auch so zu bedienen. Eine aktive Pause von min. 30 Minuten bei 8 Stunden ist einzuhalten, passive Pausen sind selbst zu regulieren. ...

Um den Anforderungen des Arbeitsvertrages gerecht zu werden, muss von einer durchschnittlichen Anzahl von 23 Arbeitstagen pro Kollege und Monat ausgegangen werden."

In der Benutzung eines Taxis wechselte der Kläger sich mit einem Kollegen ab. Der Kläger fuhr die Tagesschicht, der Kollege die Nachtschicht. Im Taxi befindet sich ein Taxameter. Die Taxameter der Beklagten haben ein "Arbeitszeiterfassungsmodul". Das Modul erfasst, wann das Taxameter ein- und wann es ausgeschaltet wird. Zudem hat es die Eigenschaft, dass nach einer Standzeit von drei Minuten ein akustisches und optisches Signal ertönt. Dies auch dann, wenn der Motor noch läuft. Der Fahrer hat nach dem Ertönen des Signals 10 Sekunden Zeit, eine Taste zu drücken. Drückt der Kläger diesen Knopf, wird seine Standzeit als Arbeits- bzw. Bereitschaftszeit aufgezeichnet. Geschieht dies nicht, wird die Zeit nach den drei Minuten als „Pause“ erfasst. Die Beklagte erstellte mithilfe ihres Moduls auf der Basis des Verhaltens des Klägers einen monatlichen Arbeitszeit-Nachweis. Dieser weist minutengenau den Zeitpunkt des Einschaltens und des Ausschaltens des Taxameters ("Verfügungszeit") sowie die Summe der "Arbeitszeiten" und der "Pausen" im Sinne des Zeiterfassungssystems auf. Beispielsweise wird im Arbeitszeit-Nachweis für Januar 2015 (Anlage K 2) für den 03.01.3015 ein Beginn um 04:55 h, ein Ende um 13:57 h, damit eine "Verfügungszeit" bereinigt von 09:02 h, eine Arbeitszeit von 4:31 h und eine Pausenzeit von 4:31 h erfasst. Die täglichen Zeiten werden monatlich summiert und führten beispielsweise für den Monat 01/15 zu einer bezahlten Zeit von "130:02 (ohne Pausen)" und zu einer "Verfügungszeit" von insgesamt 213:16 h. Am Ende der Arbeitszeit-Nachweise findet sich eine vom Kläger zu unterschreibende Erklärung mit dem Inhalt:

"Hiermit versichere ich, dass ich das Arbeitszeiterfassungsmodell des Taxameters ordnungsgemäß bedient habe und die hier aufgezeichneten Arbeitszeiten korrekt sind und der Wirklichkeit entsprechen." Der Kläger unterschrieb diese Erklärung in den Monaten 1/15 bis 10/15 sowie in 12/15.

Die Beklagte rechnete in den Monaten Januar 2015 bis April 2016 die in den Arbeitszeit-Nachweisen errechneten Zeiten, die nicht als „Pause“ erfasst worden waren, als "Normalstunden" ab und zahlte dem Kläger dafür einen Stundenlohn i.H.v. 8,50 € brutto. Auf den Abrechnungen wird u.a. zusätzlich ein "Fahrer-Umsatz" ausgewiesen. Im Januar 2015 erhielt der Kläger beispielhaft so 130,03 „Normalstunden“ abgerechnet und erhielt insgesamt 1.235,57 € brutto. Als "Fahrer-Umsatz" wurden für Januar 2015 3.047,00 Euro ausgewiesen.

Der Kläger macht die Differenz zwischen den in den monatlichen Arbeitszeitnachweisen der Beklagten als "Verfügungszeit" ausgewiesenen Zeiten und den abgerechneten "Normalstunden" als weitere zu vergütende Arbeitszeit mit einem Mindestlohn á 8,50 € brutto die Stunde geltend. Schriftsätzlich aufbereitet im Schriftsatz vom 13.12.2016, S. 4 ff. (Bl. 98 d.A.).

Der Kläger ist der Ansicht, dass die gesamte "Verfügungszeit" mindestlohnpflichtige Arbeitszeit sei. Er behauptet, die Beklagte habe ihm vorgeschrieben, den Signalknopf nur so zu betätigen, dass er auf einen Umsatz von stündlich 22,00 € brutto komme. Im Übrigen sei ihm das Drücken des Signalknopfes alle drei Minuten nicht zumutbar und teilweise nicht möglich gewesen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass § 3 (2) Arbeitsvertrag eine Mindest-Einfuhrsumme vorgebe und deren Erreichen - u.a. durch Ausweis der konkreten Einfuhrsummen in den monatlichen Abrechnungen - zur Bedingung der Zahlung eines Mindestlohnes gemacht werde. Er sei verpflichtet gewesen, eine bestimmte Einfahrsumme in Höhe von 22,00 € brutto die Stunde einzufahren. Der Kläger sei stets von der Beklagten auf einen zu erwirtschaftenden Stundenumsatz von 22,00 € hingewiesen worden (Parteivernehmung Geschäftsführer). Dies habe der Geschäftsführer dem Kläger auch bei einem "Krankenbesuch" vorgehalten (Gedächtnisprotokoll vom 08.06.2016, Anlage 37). Es sei ständiger Tenor der Beklagten gegenüber dem Kläger und gegenüber seinen anderen Kollegen gewesen, dass dann, wenn das Fahrzeug stehe, die Signaltaste nicht zu drücken sei. Eine Einfahrsumme von 22,00 € brutto die Stunde sei aber nur zu erwirtschaften, wenn die Beklagte an sich zu bezahlende Standzeiten herausrechne (Sachverständigengutachten). Nach einer Untersuchung der Senatsverwaltung vom Juni 2016 komme ein Taxiunternehmen ab 5 Fahrzeugen auf einen stündlichen Umsatz von nur 16,35 € (Anlage 35). Nach den Erklärungen des Beklagten sei von einer Weisung des Beklagten auszugehen, bei Standzeiten nicht die Signaltaste zu benutzen. Der Kläger habe wegen der wirtschaftlichen Vorgabe auch die Taste "auf Kasse" nicht benutzt.

Dass das von der Beklagten praktizierte System nicht dem MiLoG entspreche, gehe auch aus dem Verhältnis von Arbeitszeit und angeblicher Pausenzeit hervor. Wenn der Kläger nach dem Arbeitszeitnachweis in seiner ganzen Tagesschicht, etwa am 27.07.2015, nur rd. 5 Stunden gearbeitet und rd. 5 Stunden Pause gemacht haben sollte, wäre es klar, dass die Beklagte dem Kläger das Taxi nicht 5 Stunden für den Privatgebrauch zur Verfügung stelle. Da sich Stand- gleich Wartezeiten und Lenkzeiten in etwa die Waage hielten, werde deutlich, dass nicht die gesamte Arbeitszeit des Klägers erfasst werde.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Betätigung des Signalknopfes alle drei Minuten ihm weder zumutbar noch möglich gewesen sei. Dem Kläger sei ein Drei-Minuten-Takt nicht zuzumuten gewesen. Dies auch deshalb nicht, weil die vergütungspflichtige Stand- bzw. Wartezeit die Hälfte der Arbeitszeit ausmache. Die Beklagte könne auch andere Erfassungssysteme benutzen oder eine andere Minutentaktung vornehmen. Das Betätigen der Signaltaste sei dem Kläger bei dem vorgeschriebenem Reinigen und Betanken des Fahrzeuges nicht möglich (Sachverständigengutachten). Ebenso wenig bei Toilettengängen.

Der Kläger behauptet, er habe während der Verfügungszeit keine Pausen nehmen können. Dem Kläger hätten keine im Voraus festgelegte Unterbrechungszeiten zur Verfügung gestanden. Der Kläger sei stets und ständig per Funk zu erreichen (Sachverständigengutachten) und verpflichtet gewesen, eine Fahrt anzunehmen. Seine Standzeiten habe er am Taxistand verbracht und hätte immer mit neuen Gästen rechnen müssen. Seine Mahlzeiten habe er spontan zu sich genommen. Frei verfügbare Zeiten habe es nicht gegeben. Im Übrigen werde der Bereitschaftsdienstcharakter auch dadurch manifestiert, dass dann, wenn der Fiskaltaxameter in den Pausenmodus umschalte, das Dachzeichen des Taxis leuchte (Sachverständigengutachten). Ebenso bliebe das Auftragsempfangsgerät auf Bereitschaft. Im Übrigen stehe der Kläger auf einem Halteplatz und stünde einem Kunden zur Verfügung. Der Kläger habe nicht Pausen machen können, wann er wollte. Die Beklagte verstoße mit ihrem System gegen die in § 17 Abs. 1 MiLoG enthaltene Verpflichtung, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der betroffenen Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Aus dem „Arbeitszeitnachweis“ der Beklagten gehe nicht hervor, wann genau der Kläger tatsächlich Pausen gemacht habe. Die Nachweise ließen die Einhaltung der gemäß § 4 Satz 2 ArbZG gebotenen 15minütige Pausen nicht überprüfen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass es der Beklagten obläge, ihm ihre Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Der Kläger könne seine Arbeitszeiten im Nachhinein nicht reproduzieren. Dies sei aber anhand der Einzelnachweise des Fiskaltaxameters möglich. Dem Kläger sei eine gleichsam "doppelte Buchführung" nicht möglich. Die Beklagte habe es dem Kläger durch Nichtvorlage ihrer Unterlagen mit Angaben über Wegestrecken ohne Fahrgast, die Gesamtzahl der Fahrgastübernahmen, die Standzeiten u.s.w. unmöglich gemacht, sämtliche Arbeitszeiten detailliert vorzutragen. Dies liefe auf eine Beweisvereitelung hinaus, so dass die Beweislast sich umkehre. Es sei ausreichend, wenn der Kläger vortrage, wann er angefangen und wann er aufgehört habe. Die Drei-Minuten-Taktung diene nur dem Zweck, dem Arbeitnehmer die tatsächliche Aufzeichnung seiner geleisteten Arbeitszeit unmöglich zu machen.

Der Kläger beantragt,

1.            die Beklagte wird verurteilt 705,30 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2015 zu zahlen,

2.            die Beklagte wird verurteilt 635,12 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2015 zu zahlen,

3.            die Beklagte wird verurteilt 668,69 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2015 zu zahlen,

4.            die Beklagte wird verurteilt 538,74 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2015 zu zahlen,

5.            die Beklagte wird verurteilt 461,04 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2015 zu zahlen,

6.            die Beklagte wird verurteilt 543,92 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2015 zu zahlen,

7.            die Beklagte wird verurteilt 608,28 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2015 zu zahlen,

8.            die Beklagte wird verurteilt 532,05 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2015 zu zahlen,

9.            die Beklagte wird verurteilt 516,12 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2015 zu zahlen,

10.          die Beklagte wird verurteilt 550,71 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2015 zu zahlen,

11.          die Beklagte wird verurteilt 606,81 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen,

12.          die Beklagte wird verurteilt 670,99 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2016 zu zahlen,

13.          die Beklagte wird verurteilt 618,29 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2016 zu zahlen,

14.          die Beklagte wird verurteilt 749,45 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 zu zahlen,

15.          die Beklagte wird verurteilt 608,60 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2016 zu zahlen,

16.          die Beklagte wird verurteilt 558,87 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass durch ihr Zeiterfassungssystem ein sachgerechter und gesetzeskonformer Interessenausgleich praktiziert werde. Das Betätigen der Anwesenheitstaste sei dem Kläger zumutbar. Ein Fahrer sei für die Beklagte nicht kontrollierbar. Der Kläger könne frei entscheiden, ob er Pausen machen oder sich arbeitsbereit halten wolle. Der Kläger könne z.B. einkaufen, einen Kaffee trinken usw. Warte der Kläger auf einen Fahrgast, so könne er sich im Wagen aufhalten und die Taste betätigen. Auch Nebenarbeiten seien zumutbar erfassbar. Das Taxi werde in einer Waschstraße gewaschen. Der Kläger könne dabei die Signaltaste nutzen. Beim Tanken könne auch die Signaltaste betätigt werden. Wenn in beiden Fällen ausnahmsweise nicht, hätte der Kläger die Beklagte darüber informieren können.  Würden Fahrgäste abgeholt, würde der Taxameter bereits angestellt. Etwaige Hilfeleistungen würden berücksichtigt. Für die Zeiten am Ende einer Fahrt gäbe es die Taste "auf Kasse". Das wäre bezahlte Arbeitszeit. Der Kläger könne in dieser Zeit Fahrgästen beim Ausladen helfen etc. Es sei nicht unmöglich, in einer Stunde 22,00 € einzufahren. Manche Fahrer schafften 30,00 € die Stunde. Der Hinweis auf die Notwendigkeit eines genügend hohen Umsatzes sei keine Weisung, Arbeitszeit als Nicht-Arbeitszeit auszugeben. Die Beklagte ist der Ansicht, dass es dem Kläger zumutbar und möglich gewesen wäre - statt den Arbeitszeitnachweis als richtig zu quittieren - der Beklagten mitzuteilen, wenn durch das System in Einzelfällen eine Arbeitszeit von ihm nicht erfasst worden sein sollte. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie nicht verpflichtet sei, nähere Auskünfte darüber zu geben, wann der Kläger an den einzelnen Tagen was eingegeben hat. Die Beklagte ist im Übrigen der Ansicht, dass die Ansprüche des Klägers verfallen sind.

Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist entscheidungsreif, zulässig und überwiegend begründet.

A. Die Klage ist entscheidungsreif.

Es bedurfte keines erneuten rechtlichen Hinweises an die Beklagte hinsichtlich ihrer sekundären Darlegungslast. In Ziffer 8. des Hinweisbeschlusses vom 17.07.2017 wurde die Beklagte auf die neuere "Lkw-Fahrer" - Entscheidung des BAG in seinem Urteil vom 21.12.2016 - 5 AZR 362/16 mit seinen Überlegungen zur gestuften Darlegungs- und Beweislast hingewiesen. Damit stand die Gefahr einer analogen Übertragung auf den hiesigen Fall bei Unwirksamkeit des Kontrollsystems der Beklagten offen im Raum.

B. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Mindestlohn i.H.v. 8.152,96 € brutto aus seinem Arbeitsvertrag i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1, 3 MiLoG sowie einen Zinsanspruch aus §§ 286, 288, 614 BGB i.V.m. § 2 MiLoG. Abzuweisen war die Klage in Höhe der herauszurechnenden gesetzlichen Mindestruhezeiten gemäß § 4 ArbZG nebst anteiligen Zinsen.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung i.H.v. 8.152,96 € brutto. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist in dieser Höhe entstanden und nicht erloschen.

1. Der Zahlungsanspruch ist in tenorierter Höhe entstanden.

Der Kläger hat - ausgenommen die Pausenzeiten - seinen Anspruch schlüssig dargetan. Die Beklagte hat nicht erheblich bestritten. Der Vortrag des Klägers gilt daher als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).

1.1 Die Anspruchsgrundlage ist der Arbeitsvertrag der Parteien i.V.m. § 611 BGB und § 1 Abs. 1 MiLoG.

Nach dem BAG ist § 1 Abs. 1 MiLoG ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt (BAG [21.12.2016] - 5 AZR 374/16 - Rn. 16 = ZIP 2017, 491). Richtiger ist, dass es sich um einen arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB handelt, dessen Mindesthöhe durch das MiLoG vorgeschrieben ist (vgl. z.B. Däubler, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2017, MiLoG § 1 Rn. 5). Diese Frage ist aber hier nicht entscheidungserheblich.

Entscheidend ist hier, dass nach § 1 Abs. 1 MiLoG auch bloßer Bereitschaftsdienst mindestlohnvergütungspflichtig ist (BAG [29.06.2016] - 5 AZR 716/15 - Rn. 29 = NZA 2016, 1332). Dies ist zwischen den Parteien in der Theorie auch unstreitig.

Es bedarf daher für einen Mindestlohnanspruch keiner genauen Unterscheidung von "Arbeitsbereitschaft" und "Bereitschaftsdienst". "Arbeitsbereitschaft" wird vom BAG definiert "als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung" (BAG [12.12.2012] - 5 AZR 918/11 - juris Rn. 19). "Entscheidend ist für die Abgrenzung von Arbeitsbereitschaft zum Bereitschaftsdienst ist jedoch allein, dass sich der Arbeitnehmer bei der Arbeitsbereitschaft zur Arbeit bereithalten muss, um erforderlichenfalls von sich aus tätig zu werden, während beim Bereitschaftsdienst der Arbeitnehmer `auf Anforderung´ den Dienst aufnehmen muss" (BAG [12.12.2012] - 5 AZR 918/11 - juris Rn. 19). Bereitschaftszeit wird definiert "als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung ... Der Arbeitnehmer muss sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen" (BAG [29.06.2016] - 5 AZR 716/15 - Rn. 28 = NZA 2016, 1332).

Der Kläger behauptet, in den von der Beklagten erfassten "Verfügungszeiten" für die Taxizentrale und für Kunden erreichbar gewesen zu sein. Der Kläger trägt nicht vor, ständig im Taxi gesessen zu haben. Dazu war der Kläger aber auch nicht verpflichtet. Der Kläger sollte nur seine Arbeitsbereitschaft durch das Betätigen des Signalknopfes im Taxi dokumentieren und es war ihm nach Ziffer 8. der Betriebsordnung freigestellt, "passive Pausen .. selbst zu regulieren". Ob dies "Arbeitsbereitschaft" oder "nur" zum Teil "Bereitschaftszeit" war, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger behauptet, zumindest Bereitschaftszeit geleistet zu haben.

Genügt für die beanspruchte Vergütungshöhe das MiLoG, bedarf es keiner Entscheidung, ob das BAG in seiner Entscheidung BAG [25.02.2015] - 5 AZR 886/12 - Rn. 28 = NZA 2015, 494 = AP Nr. 136 zu § 615 BGB verdeckt seine Rechtsprechung aufgegeben hat, dass "reine Bereitschaftszeit" nur i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB einen Vergütungsanspruch begründet (vgl. Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB (2016) § 611, Rn. 1071; BAG [10.06.1959] - 4 AZR 567/56 - juris Rn. 20 = BAGE 8, 25 = AP Nr. 5 zu § 7 AZO) und ob nach § 612 Abs. 2 BGB hier konkret bloße Bereitschaftszeit wie Vollarbeit zu bezahlen und der Vortrag des Klägers dazu konkret genug wäre.

1.2 Der Kläger hat den Zahlungsanspruch schlüssig dargetan. Herauszurechnen waren lediglich die von ihm selbständig zu nehmenden und möglichen Ruhepausenzeiten.

1.2.1 Sieht man von den Pausen ab, so hat der Kläger seiner primären Darlegungslast Genüge getan.

Klagt ein Arbeitnehmer Arbeitsvergütung ein, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (BAG [18.04.2012] - 5 AZR 248/11 - juris Rn. 14 = NZA 2012, 998).

1.2.1.-1 Es spielt keine Rolle, ob der Kläger die Vergütung von Normalarbeitszeit oder Mehrarbeit verlangt.

Die Darlegungs- und Beweislast ist keine andere, je nachdem ob der Kläger die Vergütung von Normalarbeitszeit oder Überstunden verlangt (vgl. BAG [16.05.2012] - 5 AZR 347/11 - Rn. 25 = NJW 2012, 2680 = AP Nr. 53 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). Es ist daher unerheblich, dass der Kläger bis auf zwei Monate mit seiner Forderung unterhalb der bis zur letzten Arbeitsvertragsänderung geltenden Arbeitszeit im Umfang von 48-Wochenstunden bleibt. Ob der Kläger weitergehend arbeitsvertraglich verpflichtet war, 48 Wochenstunden zu arbeiten, kann offenbleiben. Die Darlegungs- und Beweislast wird dadurch nicht verändert.

1.2.1.-2 Bei streitiger Arbeitszeit gelten die allgemeinen Grundsätze einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast.

Trägt ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit substantiiert vor, so muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Sachvortrag des Arbeitnehmers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO) (BAG [21.12.2016] - 5 AZR 362/16 - Rn. 23 = NZA-RR 2017, 233 = AP Nr. 56 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung).

1.2.1.-3 Der Kläger genügt als Taxifahrer seiner primären Darlegungslast damit, dass er die vom Arbeitszeiterfassungsmodul des Taxameters des Taxis des Arbeitgebers erfassten "Verfügungszeiten" vorträgt und behauptet, dass er in den "Verfügungszeiten" für Kundenfahrten arbeitsbereit war.

Abstrakt gesprochen genügt ein Arbeitnehmer seiner primären Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat.

Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewandt werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe (vgl. BAG [21.12.2016] - 5 AZR 362/16 - Rn. 23 = NZA-RR 2017, 233 = AP Nr. 56 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung).

Für Kraftfahrer mit vom Arbeitgeber vorgegebenen Tourenplänen lässt das BAG es genügen, dass der Arbeitnehmer - unabhängig davon, ob die zugewiesenen Fahrten jeden Tag im Betrieb des Arbeitgebers beginnen und enden - vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers - etwa unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG - substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen im geringeren zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss (BAG [21.12.2016] - 5 AZR 362/16 - Rn. 23 = NZA-RR 2017, 233 = AP Nr. 56 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung).

Auch beim Taxifahrer als Außendienstmitarbeiter der Beklagten bedarf es einer branchengerechten Spezifizierung der primären Darlegungslast. Es erscheint ausreichend, dass der Taxifahrer seine durch Einschalten des Taxameters dokumentierte Arbeitsbereitschaft vorträgt und behauptet in der jeweiligen „Verfügungszeit“ auch tatsächlich arbeitsbereit gewesen zu sein. Ein angestellter Taxifahrer erhält zwar i.d.R. von seinem Arbeitgeber keine bestimmte Touren vorgegeben. Die Fahrten bestimmen - in der Regel nicht vorhersehbar - allein die Kunden. Durch das Taxameter ist der Arbeitgeber aber minutengenau in der Lage zu überprüfen, zu welchen Zeiten der Arbeitnehmer "angemeldet" war. In der mündlichen Verhandlung blieb unwidersprochen, dass die von der Beklagten festgehaltenen "Verfügungszeiten" nicht lediglich die Zeiten sind, in denen der Kläger das Taxi als Besitzdiener der Beklagten hat, sondern nur die Zeiten sind, in denen der Kläger den Taxameter des jeweiligen Taxis der Beklagten einschaltet bis zu dem Zeitpunkt, in dem er es wieder ausschaltet. Das wird auch an den Tagen manifest, an denen die Verfügungszeit ausnahmsweise unterbrochen wurde. Z.B. gibt es für den 08.12.2015 oder 23.12.2015 drei Zeilen für die Verfügungszeit mit Unterbrechungen (vgl. Bl. 104 d.A.). Die Vertragsgestaltung (Lohnberechnungsbeispiel in § 3 (2) Arbeitsvertrag, Betriebsordnung) der Beklagten macht deutlich, dass der Kläger das ihm zur Verfügung gestellte Taxi ökonomisch bestmöglich zum Einsatz bringen sollte. Der Kläger behauptet, dem entsprochen zu haben. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass der Kläger die erfasste "Verfügungszeit" manipuliert habe oder dass diese im Vergleich anderer Taxifahrer in der Tagesschicht irgendwelche Auffälligkeiten aufweist. Der klägerische Vortrag ist daher so zu verstehen, dass er behauptet, in der in diesem Sinne erfassten "Verfügungszeit" arbeitsbereit (und sei es im weiteren Sinne eines Bereitschaftsdienstes) gewesen zu sein oder Nebenarbeiten (Reinigen, Tanken) erledigt zu haben. Dies unter Berufung auf die von der Beklagten minutengenau erfassten „Verfügungszeiten“. Mehr ist dem Kläger nicht möglich und nicht zumutbar.

1.2.1.-4 Der Kläger hat seinen mündlichen Vortrag auch schriftsätzlich (§ 130 ZPO) zulässig vorbereitet.

Anlagen zu Schriftsätzen können lediglich der Erläuterung oder Belegung schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen. Die Darlegung der Arbeitszeit und der Pausen hat entsprechend § 130 Nr. 3 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen (BAG [28.01.2015] - 5 AZR 536/13 - Rn. 19 m.w.N. = EzA § 4 TVG Verkehrsgewerbe Nr. 6). Die Klägerseite hat insofern durch den Schriftsatz vom 13.12.2016 nachgebessert.

1.2.2 Die gesetzlich durch § 4 ArbZG vorgegebenen Ruhepausen, die der Kläger arbeitsvertraglich zu nehmen verpflichtet war, sind herauszurechnen. Der klägerische Vortrag erscheint hinsichtlich der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen unschlüssig.

Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass er die ganze erfasste "Verfügungszeit" lang keine "richtigen" Pausen i.S.d. § 4 ArbZG gemacht, sondern "durchgearbeitet" hat. Der Kläger war aber arbeitsvertraglich und gesetzlich verpflichtet, die gesetzlichen Ruhepausen zu nehmen und konnte dies faktisch wie rechtlich auch.

Gemäß § 3 (3) Arbeitsvertrag war der Kläger verpflichtet, die "zwingenden gesetzlichen Vorschriften im Arbeitszeitgesetz" zu beachten. Daran war er auch nicht durch eine etwaige Weisung oder Zielvorgabe gehindert, 22,- € die Stunden einzufahren. Dazu reichte es, den Signalknopf nicht zu bedienen. Der Kläger war auch sonst faktisch nicht gehindert, Pausen zu nehmen. Der Kläger behauptet, er habe keine Ruhepausen nehmen können. Gleichzeitig erklärt er, dass 50% der Verfügungszeit aus Warten o.ä. bestanden habe. (In der Tat dürfte das Verhältnis abgerechneter "Arbeitszeit" zu restlicher "Verfügungszeit" nicht 50:50, wohl aber in etwa 60:40 gewesen sein.) Wenn der Kläger beispielsweise am 3.1.2015 bei einer „Verfügungszeit“ von 9 Stunden ausweislich des Arbeitszeitnachweises mindestens 4,5 Stunden "nichts zu tun hatte", erschließt sich nicht, was ihn tatsächlich daran hinderte, eine Pausenzeit von insgesamt 30 Minuten in Form von zwei 15minütigen Pausen (vgl. § 4 ArbZG) zu nehmen. Bei diesen Proportionen wird auch keine Pflicht der Beklagten gemäß den §§  421 - 423 ZPO gesehen, ihre Unterlagen vorzulegen, da selbst bei einer Auflistung der konkreten Minuten der Fahrtzeiten und "Pausenzeiten" daraus für eine Unmöglichkeit, 15minütige Pausen eigenständig zu nehmen, nichts folgen würde.

Der Kläger war auch in rechtlicher Hinsicht in der Lage, Ruhepausen zu nehmen. Die Beklagte hat die Entscheidung, Pausen zu machen, wirksam an den Kläger delegiert.

Die Klägerseite beruft sich zwar auf die stehende Wendung des BAG: "Pausen sind im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann" (BAG [25.02.2015] - 5 AZR 886/12 - Rn. 21 = NZA 2015, 494 = AP Nr. 136 zu § 615 BGB). Sie versteht aber das Erfordernis des "im Voraus feststehen" miss. Es ist ausreichend, dass "jedenfalls bei ihrem Beginn auch die Dauer der Pause bekannt sein muss" (BAG [29.10.2002] - 1 AZR 603/01 - Rn. 29 = NZA 2003, 1212). Aus § 4 Abs. 1 ArbZG folgt nicht die "Notwendigkeit, Beginn und Dauer der Ruhepause bereits vor Beginn der täglichen Arbeitszeit festzulegen" (BAG [25.02.2015] - 5 AZR 886/12 - Rn. 27 = NZA 2015, 494 = AP Nr. 136 zu § 615 BGB).

Da der Kläger in seiner Arbeitszeitgestaltung autonom war, war er nicht daran gehindert, sich eine Pause zu nehmen und zu entscheiden, dass diese wenigstens 15 Minuten dauern sollte und er in dieser Zeit weder für die Zentrale zu sprechen noch von einem Kunden zu beauftragen war.

War der Kläger verpflichtet und war es ihm tatsächlich und rechtlich möglich, Ruhepausen zu nehmen, kann er der Beklagten gebotene Ruhepausen nicht als Arbeitszeit aufdrängen (siehe auch ArbG Berlin [22.02.2017] - 31 Ca 7720/16 - unveröff.: "Der Arbeitgeber muss sich Arbeitsleistungen in Zeiten, in denen eine Ruhepause genommen werden soll, nicht aufdrängen lassen.").

Entsprechend war im Grundsatz bei einer (nicht unterbrochenen) Verfügungszeit von mehr als 6 bis 9 1/2 Stunden eine halbe Stunde Pausenzeit und bei mehr als 9 1/2 Stunden eine Pausenzeit von 45 Minuten in Abzug zu bringen. Im Rahmen einer normativen Betrachtungsweise ist zu fragen, ab welcher bereinigten Verfügungszeit vom Kläger zu verlangen und es ihm möglich war, eine Pausenzeit von insgesamt 45 Minuten zu nehmen. Dabei sind die Unwägbarkeiten der Fahraufkommens einzubeziehen. Hier wurden dem Kläger 45 Minuten erst bei einer „Verfügungszeit“ ab 10 Stunden (d.h. bei Abzug einer Pflichtpausenzeit von 30 Minuten also ab 9 h 30 Minuten) abgezogen (vgl. für die Zulässigkeit einer Arbeitszeitschätzung gemäß § 287 ZPO BAG [25.03.2015]- 5 AZR 602/13 = NZA 2015, 1002; BAG [26.10.2016] - 5 AZR 168/16). Ab einer Verfügungszeit also, bei der man dem Kläger vorhalten musste, dass er bei einer so langen Schichtzeit auf jeden Fall an eine weitere 15minütige Pause denken musste und dies ihm auch möglich war, so er nichts Konkretes anderes vorträgt. Ausgenommen sind die wenigen Tage, in denen der Kläger auch nach dem Zeiterfassungssystem seine Verfügungszeit unterbrochen hat, die Unterbrechungszeit von der Dauer her über der gesetzlichen Pausenzeit lag und damit insoweit Pausenzeit schon herausgerechnet ist (23.12.2015: 15 Min.; 03.02.2016: 45 Min.; 09.02.2016: 30 Min.; 11.02.2016: 15 Min.; 15.02.2015: 30 Min.).

Dies führt zu folgenden schlüssig dargelegten Arbeitszeiten:

Monat   behauptete

Arbeitszeit        bereinigte

Arbeitszeit        abgerechnete

Stunden            Saldo

1/15      213:16  200:01  130:02  69:59

2/15      204:42  193:27  129:42  63:45

3/15      216:05  200:05  137:23  62:42

4/15      197:23  186:07  133:51  52:16

5/15      191:52  180:52  137:17  43:35

6/15      211:51  200:51  147:31  53:20

7/15      220:25  207:10  143:08  64:02

8/15      208:55  195:25  140:59  54:26

9/15      205:22  193:22  144:30  48:52

10/15    178:56  168:26  113:46  54:40

11/15    198:24  187:15  126:51  60:24

12/15    218:57  206:12  138:63  67:09

1/16      206:31  194:31  133:78  60:13

2/16      231:24  221:24  143:23  78:01

3/16      231:05  217:20  141:72  75:08

4/16      187:30  176:30  121:75  54:15

1.3 Die Beklagte hat den in tenorierter Höhe schlüssig vorgetragenen Vergütungsanspruch nicht wirksam bestritten. Der Vortrag des Klägers gilt daher als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).

1.3.1 Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers nicht substantiiert bestritten. Auf Grund der Unwirksamkeit ihres Kontrollsystems kann sie die monatlichen summarischen Ergebnisse ihres Zeiterfassungssystems dem Kläger nicht entgegenhalten.

•           Die Beklagte musste den Vortrag des Klägers bestreiten, obwohl der Kläger in der Regel auf den Arbeitszeit-Nachweisen die formularmäßig vorgegebene Erklärung unterschrieb, dass er das Arbeitszeiterfassungsmodul des Taxameters richtig bedient habe.

•           Die Beklagte kann sich nicht schon deshalb nicht auf ihr Kontrollsystem berufen, weil sie den Kläger angewiesen hat, das Zeiterfassungssystem so zu benutzen, dass er im Ergebnis auf eine Einfahrsumme i.H.v. 22,- € die Stunde brutto kommt.

•           Entscheidend ist, dass das Kontrollsystem der Beklagten gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers und gegen § 32 BDSG verstieß, so dass der Kläger nicht an die entsprechende Weisung der Beklagten gebunden war und in der Folge die Kontrolldaten der Beklagten dem klägerischen Vortrag nicht effektiv entgegengehalten werden konnten.

1.3.1.-1 Den Erklärungen des Klägers auf den Arbeitszeit-Nachweisen, er habe das Arbeitszeiterfassungsmodul ordnungsgemäß bedient, kommt keine eigenständige Bedeutung zu.

Die Beweiskraft der Unterschrift des Klägers erstreckt sich nur darauf, dass er die Erklärung abgegeben hat, nicht darauf, dass die Erklärung richtig ist, § 416 ZPO. Wenn die Beklagte dem Kläger in rechtswidriger Weise ein Kontrollsystem oktroyiert, so kann sie daraus kein Kapital schlagen, wenn der Kläger in der jedenfalls subjektiven Meinung - vom Lohnberechnungsbeispiel der Beklagten in § 3 (2) Arbeitsvertrag ihm nahegelegt - von ihm werde ein bestimmter Stundenumsatz erwartet, das Arbeitszeiterfassungsmodul falsch betätigt. Nach § 3 (3) Arbeitsvertrag war zudem ohne Abrechnung die Vergütung nicht fällig. Der Kläger musste ersichtlich das unterschreiben, was die Beklagte ihm vorlegte, um seinen Lohn zu erhalten. Im Übrigen war es für die Beklagte unter Berücksichtigung der Arbeitsvertragsgeschichte bei einem Verhältnis von „Arbeitszeit“ zu „Pausenzeit“ von 50:50 oder 60:40 nach dem Zeiterfassungssystem offensichtlich, dass der Kläger seine Bereitschaftszeit nicht richtig erfasste.

1.3.1.-2 Die Beklagte hat den Kläger nicht angewiesen, das Kontrollsystem so zu benutzen, dass er im Ergebnis auf eine Einfahrsumme i.H.v. 22,- € brutto die Stunde kam.

Der Arbeitsvertrag enthält keine Vereinbarung, unproduktive Standzeiten nicht aufzuzeichnen. In § 3 (1) Arbeitsvertrag wurde eine Stundenvergütung „pro gearbeitete Stunde“ vereinbart. § 3 (2) Arbeitsvertrag enthält ein „Beispiel“ für eine Lohnberechnung. Der Satz „Bei diesem Beispiel liegt die dazu eingefahrene Einfahrsumme bei 3.696.- €“ beinhaltet keine Abweichung vom Stundenlohnsystem und keine Vorgabe, bei einer schlechteren Relation von Stundenvergütung und Einfahrsumme Standzeiten nicht als Bereitschaftszeit anzugeben. Der Satz drückt die wirtschaftliche Erwartungshaltung der Beklagten aus, ohne dass diese zur vertraglichen Vorgabe gemacht worden wäre.

Eine Weisung geht auch nicht aus Ziffer 8. der Betriebsordnung hervor. Danach sind „passive Pausen“ .. selbst zu regulieren.“ Zwar werden in Ziffer 8. der Betriebsordnung Standzeiten nicht als Arbeitszeit genannt. Zuvor heißt es jedoch, dass der Taxameter Stechuhreigenschaften habe. I.V.m. der Technik des Signalknopfes hatte es der Kläger in der Hand, Standzeiten als zu bezahlende Zeit zu markieren. Die Vorgabe, „passive Pausen“ selbst zu regulieren, konnte daher nicht als Aufforderung verstanden werden, bei Standzeiten den Signalknopf nicht zu betätigen.

Eine Weisung, nur Arbeitszeiten anzugeben, die im Verhältnis zur Einfahrsumme rund 22,00 € die Stunde bedeuteten, ergibt sich auch nicht aus dem Ausweis der monatlichen Einfahrsumme in den monatlichen Abrechnungen. Auch dies ist nur Ausdruck einer wirtschaftlichen Erwartungshaltung der Beklagten.

Ein Hinweis des Geschäftsführers, dass der Kläger 22,00 € die Stunde Umsatz erbringen müsse, um wirtschaftlich eingesetzt werden zu können, kann unterstellt werden. Daraus folgt jedoch keine Weisung, den Signalknopf am Taxameter bei Standzeiten nicht oder entsprechend wenig zu betätigen.

Der von der Beklagten aufgebaute Erwartungsdruck stellt keine Weisung dar. Der Kläger war deswegen nicht gehindert, den Signalknopf während der Standzeiten zu drücken.

1.3.1.-3 Das Kontrollsystem der Beklagten ist jedoch rechtswidrig. Es verstößt gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG und gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) des Klägers.

Dies entgegen der Entscheidung des ArbG Berlin [27.08.2015] - 38 Ca 5535/15 in einem gleich gelagerten Fall. Dort heißt es: "Dass es für den Kläger unzumutbar sein könnte, den Taxameter so zu bedienen, dass Zeiten, in denen er sich bereithält, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen, nicht als `Pausen´ erfasst werden, ist nicht nachvollziehbar" (hier Bl. 59 d.A.).

Die gegenteilige Entscheidung des ArbG Berlins verkennt jedoch, dass es hier nicht nur um die Frage des Ob, sondern auch um das Wie, d.h. um die Zumutbarkeit eines Drei-Minuten-Taktes geht. Die Kontrollpraxis der Beklagten hält letztlich einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand. Diese ist nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG geboten. Dies im Gleichlauf zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers.

1.3.1.-3.1 Zugunsten der Beklagten wird hier unterstellt, dass eine Kontrolle der für sie nicht kontrollierbaren Arbeitszeit des Klägers durch ein Zeiterfassungsmodul und durch die Aufforderung, einen Signalton zur Dokumentation der Arbeitsbereitschaft in regelmäßigen Abständen zu drücken, nicht schon an sich gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht oder gegen § 32 BDSG verstößt.

Es kann offen blieben, ob § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG eine generelle pauschale Erfassung der Zeiten von Arbeitsbereitschaft durch das Kontrollsystem der Beklagten verbietet, zumal § 16 Abs. 2 ArbZG der Beklagten die Dokumentation von Mehrarbeit aufbürdet. Die Zulässigkeit anlassloser Dauerüberwachung wird u.a. unter dem Stichwort "Stechuhr" diskutiert. In der Literatur wird teilweise ein gebotener Vorrang einer Vertrauensarbeitszeit bejaht, wobei u.a. auf das Gebot der Datenvermeidung und Datensparsamkeit gemäß § 3a BDSG verwiesen wird (so z.B. Brink, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2016, § 32 BDSG Rn. 36; a.A. Wellhöner/Byers, BB 2009, 2310 (2315); Wybitul, BB 2010, 1085 (1087); Zöll, in: Taeger/Gabel, 2. Aufl. 2013, § 32 Rn. 30 m.w.N.; Byers, Mitarbeiterkontrollen, 2016, Rn. 116). Das kann aber vorliegend offen bleiben, da jedenfalls die Überwachungsdichte von drei Minuten nicht erforderlich i.S.d. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist.

1.3.1.-3.2 Die Vorgabe, bei Standzeiten alle drei Minuten einen Signalknopf zu drücken, verstößt gegen das Gebot der Erforderlichkeit gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG und ist i.V.m. § 134 BGB unwirksam.

Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen "personenbezogene Daten" eines Arbeitnehmers für Zwecke des Arbeitsverhältnisses unter anderem erhoben werden, wenn dies für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses „erforderlich“ ist.

1.3.1.-3.2.1 Die Beklagte ist zu einem Kontrollsystem mit einer Drei-Minuten-Taktung gesetzlich nicht verpflichtet gewesen.

Dies weder steuerrechtlich nach den §§ 145, 147 AO oder dem UStG noch arbeitszeitschutzrechtlich wegen der Verpflichtung nach § 16 Abs. 2 ArbZG, Mehrarbeit aufzuzeichnen (zu Letzterem Brink, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2016, § 32 BDSG Rn. 36 m.w.N.).

1.3.1.-3.2.2 § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist vorliegend anwendbar.

Durch das Drücken des Signalknopfes des Arbeitszeiterfassungsmoduls des Taxameters wird ein personenbezogenes Datum des Klägers - wann er per Knopfdruck seine Arbeitsbereitschaft signalisiert hat - erhoben und ausweislich der monatlichen Arbeitszeit-Nachweise minutengenau gespeichert und genutzt. Die Beklagte selbst spricht bildhaft treffend von einer "Stechuhreigenschaft" ihres Signalknopfsystems. Dass darüber hinaus nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BDSG § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch bei nicht automatischer Verarbeitung personenbezogener Daten Anwendung findet, ist hier nicht entscheidungserheblich.

1.3.1.-3.2.3 Die Erfassung der Arbeitsbereitschaft des Klägers alle drei Minuten ist nicht "erforderlich" i.S.d. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG.

Erforderlichkeit i.S.d. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG bedeutet "Verhältnismäßigkeit". Dies verlangt, dass die Maßnahme einem legitimen Zweck dient, geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (Wybitul, BB 2010, 1085 (1086 m.w.N.); BAG [17.11.2016] - 2 AZR 730/15 - Rn. 30 m.w.N. = NZA 2017, 394 = AP Nr. 15 zu § 626 BGB Unkündbarkeit). Eine Erforderlichkeit (i.e.S.) ist nur gegeben, wenn "keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen" (BAG [17.11.2016] - 2 AZR 730/15 - Rn. 30 m.w.N. = NZA 2017, 394 = AP Nr. 15 zu § 626 BGB Unkündbarkeit). Dies unter Beachtung der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers (Wybitul, BB 2010, 1085 (1086 m.w.N.)). "Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne [Angemessenheit] ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht" (BAG [17.11.2016] - 2 AZR 730/15 - Rn. 30 m.w.N. = NZA 2017, 394 = AP Nr. 15 zu § 626 BGB Unkündbarkeit).

Das Drei-Minuten-Signalsystem der Beklagten ist jedenfalls unangemessen. Ob überhaupt i.e.S. erforderlich, kann offenbleiben.

In der Literatur werden Stechuhren zwecks Arbeitszeiterfassung mehrheitlich (s.o.) als geeignet, erforderlich und angemessen angesehen, nicht aber die systematische Erfassung jeder kurzen Pause oder jeden Toilettenganges (Wellhöner/Byers, BB 2009, 2310 (2315); Wybitul, BB 2010, 1085 (1087); Zöll, in: Taeger/Gabel, 2. Aufl. 2013, § 32 Rn. 30 m.w.N.; Byers, Mitarbeiterkontrollen, 2016, Rn. 116).

Hier geht es nicht um die Kontrolle von Vollarbeit und um deren Unterbrechung durch Kurzpausen. Hier geht es um Kontrolle bloßer Arbeitsbereitschaft, so dass die Kritik an einer minutiösen Pausenüberwachung erst recht für bloße Bereitschaftszeit gilt. Anschaulich gesprochen: wenn ein Taxifahrer 30 Minuten an einem Taxistand auf den nächsten Fahrgast warten muss und dabei raucht, mit dem Vorder- oder Hintermann sich unterhält, ein Buch im Wagen oder am Taxi angelehnt liest usw., wird dadurch seine Arbeitsbereitschaft i.w.S. nicht in Frage gestellt.

In der mündlichen Verhandlung nach ihrem Interesse für einen Drei-Minuten-Takt befragt führte die Beklagte lediglich an, es gehe um "eine betriebswirtschaftliche Größe". Durch das Signalsystem solle sichergestellt werden, dass der Kläger jederzeit auch wirklich arbeitsbereit sei. Ein Optimierungseffekt ist aber kaum feststellbar: Wenn ein Fahrer außerhalb des Taxis eine vier- bis fünfminütige Zigaretten-, Gesprächs- oder auch nur frische Luft-Pause einlegt, wird er nicht daran gehindert, für einen nahenden Fahrgast die Pause zu beenden und für den Fahrgast da zu sein, so er diesem nicht eh´ beim Einladen von Gepäck behilflich sein muss. Selbst wenn sich durch eine solche Pause sein Aufrücken in einer Warteschlange verzögern sollte, ist auch nicht erkennbar, dass dadurch wesentlich erschwert, verzögert oder verunmöglicht wird, dass ein Fahrgast den Kläger als zweiten, dritten usw. in der Warteschlange in Anspruch nimmt, so seine Kollegen oder die Usancen des Gewerbes dies überhaupt zulassen.

Dem damit praktisch nicht zu Buche schlagendem wirtschaftlichen Interesse der Beklagten steht eine weitgehende Knebelung des Klägers in der Gestaltung seiner Bereitschaftszeit entgegen. Obwohl der Kläger rund 40% seiner Zeit nur auf Kunden warten kann und insofern "nichts zu tun" hat, soll er für das geringfügige wirtschaftliche Optimierungsinteresse der Beklagten auf eine erträgliche Gestaltung seiner Wartezeit verzichten.

1.3.1.-3.3 Das Drei-Minuten-Signal-System der Beklagten verstößt zudem gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) des Klägers.

Zu dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses garantiert die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden. Das BDSG konkretisiert und aktualisiert den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (BAG [17.11.2016] - 2 AZR 730/15 - Rn. 26 = NZA 2017, 394 = AP Nr. 15 zu § 626 BGB Unkündbarkeit). Durch die systematische Erfassung der Zeiten der Arbeitsbereitschaft (i.w.S.) wird in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Klägers eingegriffen. Das hat außerhalb des hier nicht gegebenen Kernbereichs des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Konsequenz. Diese entspricht der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG. Insofern gibt es einen Gleichlauf (vgl. auch BAG [20.06.2013] - 2 AZR 546/12 - Rn. 25 = NZA 2014, 143 = AP Nr. 244 zu § 626 BGB), so dass auf die Ausführungen zu § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG verwiesen werden kann.

1.3.1.-3.4 Die unmittelbare Rechtsfolge ist, dass die Weisung der Beklagten an den Kläger, alle 3 Minuten den Signalknopf zu drücken, unwirksam ist.

Entsprechend war der Kläger nicht verpflichtet, seine Arbeitsbereitschaft auf diese Weise zu dokumentieren. Das hat wiederum zur Folge, dass dem Drücken oder Nichtdrücken des Signalknopfes kein Erklärungswert zukommt. Entsprechend folgt aus den Tages- und Monatssummen der Rubriken „Arbeitszeit“ und „Pause“ in den Arbeitszeit-Nachweisen nichts. Die Beklagte beruft sich aber allein darauf.

1.3.2 Die Beklagte kann sich nicht auf Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) beschränken.

Der Beklagten hätte es im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen, auf den klägerischen Vortrag substantiiert zu erwidern. Die Beklagte kann sich nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) beschränken (vgl. allgemein auch BAG [21.12.2016] - 5 AZR 362/16 - Rn. 26 = NZA-RR 2017, 233 = AP Nr. 56 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung).

Die Beklagte trägt das Risiko der Verwendung eines überzogenen und deshalb rechtswidrigen und unwirksamen Kontrollsystems. Es ist ihr unternehmerisches Organisationsrisiko, ein wirksames Zeiterfassungssystem zu implementieren (vgl. auch allgemein BAG [21.12.2016] - 5 AZR 362/16 - Rn. 26-28 = NZA-RR 2017, 233 = AP Nr. 56 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). Die Beklagte hat zum einen die ihr steuerverfahrensrechtlich (§§ 145 Abs. 2, 147 AO; UStG) vorgegebenen und damit gesetzlich erlaubten Fahrdaten des Klägers nach dem Taxameter. Zum anderen ist sie zur Erfassung von Mehrarbeit eines Taxifahrers nach § 16 Abs. 2 ArbZG verpflichtet und damit auch berechtigt. Sowohl steuerrechtlich wie arbeitszeitrechtlich hat die Beklagte insofern Aufbewahrungspflichten (vgl. § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 UStDV, § 147 AO bzw. § 16 Abs. 2 Satz 2 ArbZG). Sie hat auch Vergleichsdaten anderer Arbeitnehmer und kann ggfls. aufzeigen, dass die Korrelation von Einfahrsumme und behaupteter Arbeitszeit/Bereitschaftszeit nicht plausibel ist. Sie hätte auch auf "Nummer sicher" gehen können - wie von der Klägerseite gefordert - und den Kläger lediglich seine Ruhepausen selbständig aufschreiben lassen können. Wenn man ein Signalknopf-System überhaupt für zulässig erachtet, hätte sie eine andere großzügigere zulässige Taktung vorgeben können. Wo die Zumutbarkeitsgrenze ist, braucht hier nicht geklärt zu werden. Das Risiko eines Trial and Error - Vorgehens trägt allein die Beklagte.

1.4 Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus dem Produkt der Arbeitszeit des Klägers mal dem im Anspruchszeitraum geltendem Mindestlohn i.H.v. 8,50 € brutto.

Das ergibt für die einzelnen Monate folgende Beträge:

Monat   Saldo Zeit (h:min)          Saldo in EUR

1/15      69:59    594,76

2/15      63:45    541,80

3/15      62:42    532,88

4/15      52:16    444,24

5/15      43:35    370,40

6/15      53:20    453,30

7/15      64:02    544,28

8/15      54:26    462,64

9/15      48:52    415,28

10/15    54:40    464,60

11/15    60:24    513,36

12/15    67:09    570,76

1/16      60:13    511,82

2/16      78:01    663,14

3/16      75:08    638,70 - geltend gemacht i.H.v. 608,60 € (Bl. 10 d.A.)

4/16      54:15    461,10

                        8.152,96 €

2. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist nicht erloschen.

2.1 Der Anspruch ist nicht erfüllt, § 362 BGB.

Die Beklagte hat sonstige mindestlohnwirksame Leistungen an den Kläger nicht behauptet. Sie sind auf dem ersten Blick auch nicht den Lohnabrechnungen zu entnehmen.

2.2 Der Anspruch ist nicht auf Grund einer Ausschlussfrist verfallen.

Die dreimonatige arbeitsvertragliche Ausschlussfrist ist jedenfalls hinsichtlich eines Mindestlohnanspruchs des Klägers gemäß § 3 Satz 1 MiLoG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Eine Ausschlussfrist eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages i.V.m. der Übergangsvorschrift des § 24 MiLoG gilt hier mangels allgemeinverbindlichen Tarifvertrag nicht.

2.3 Der Kläger hat auf seine Ansprüche nicht (wirksam) verzichtet.

Der Kläger hat durch seine zumeist monatliche Erklärung, dass er die Arbeitszeit richtig erfasst habe, nicht auf seine Mindestlohnansprüche für die nicht erfassten Zeiten verzichtet. Selbst wenn, wäre ein solcher Verzicht nach § 3 Satz 2 MiLoG unwirksam.

2.4 Der Anspruch ist nicht verjährt, §§ 194, 195 BGB.

Es kann offenbleiben, ob die Beklagte durch ihre schriftsätzliche Berufung auf ihre arbeitsvertragliche Ausschlussfrist zugleich auch die Einrede der Verjährung gemäß § 214 BGB erhoben hat. Die Ansprüche aus dem Jahr 2015 verjähren i.V.m. §§ 195, 199 BGB erst am 31.12.2018.

2.5 Der Anspruch ist auch nicht verwirkt, § 242 BGB.

Die Verwirkung der Mindestlohnansprüche des Klägers ist ausgeschlossen. Bei der kurzen Verjährungsfrist unterliegenden Zahlungsansprüchen schon aus allgemeinen Gründen (vgl. BAG [11.12.2014] - 8 AZR 838/13 - juris Rn. 26 = NZA 2015, 808). Vom Gesetzgeber ist dies für den Mindestlohn in § 3 Satz 3 MiLoG ohne Wenn und Aber gesetzlich vorgeschrieben.

II. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB. Der Zinsbeginn aus § 614 BGB.

Der abweichende arbeitsvertragliche Zinsbeginn ist unwirksam, § 2 MiLoG. Die Fälligkeitsregelung in § 3 (3) Arbeitsvertrag „am 30. des dem jeweiligen Kalendermonat folgenden Monats“ verstößt gegen § 2 MiLoG. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 MiLoG ist der Mindestlohn „spätestens am letzten Bankarbeitstag“ des Folgemonats fällig. Februar-Monate haben keinen 30. Auch in sonstigen Monaten liegt der letzte „Bankarbeitstag“ eines Monats mitunter vor dem 30. des Monats. Eine bloße Teilunwirksamkeit oder geltungserhaltene Reduktion der AGB-Klausel kommt nicht in Betracht.

C. Die Nebenentscheidungen folgen aus dem Gesetz.

Die Parteien habe im Verhältnis ihres Unterliegens die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 ZPO. Der Wert des Streitgegenstandes folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Die Tenorierung des Streitwerts aus § 61 Abs. 1 ArbGG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von den Parteien Berufung eingelegt werden.

Die Berufungsschrift muss von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt bzw. einer Vertreterin oder einem Vertreter einer Gewerkschaft, einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände eingereicht werden.

Die Berufungsschrift muss innerhalb

einer Notfrist von einem Monat

bei dem

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,

Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin ,

eingegangen sein.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass Berufung gegen dieses Urteil eingelegt werde.

Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb

einer Frist von zwei Monaten

in gleicher Form schriftlich zu begründen.

Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments im Sinne des § 46c ArbGG genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite unter www.berlin.de/erv.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Dabei ist zu beachten, dass das Urteil mit der Einlegung in den Briefkasten oder einer ähnlichen Vorrichtung für den Postempfang als zugestellt gilt. Dies gilt nicht bei Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 174 ZPO.

Wird bei der Partei eine schriftliche Mitteilung abgegeben, dass das Urteil auf der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts oder einer von der Post bestimmten Stelle niedergelegt ist, gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt, also nicht erst mit der Abholung der Sendung. Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag der Sendung vermerkt.

Von der Begründungsschrift werden zwei zusätzliche Abschriften zur Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter erbeten.

Weitere Statthaftigkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus § 64 Abs.2 ArbGG  :

"Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a) wenn sie in dem Urteil zugelassen worden ist,

b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,

c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder

d) wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall schuldhafter Versäumung nicht vorgelegen habe."

Dr. S.

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