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Arbeitsrecht
19.02.2015
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Kappungsgrenze bei Sozialplanabfindung

LAG Nürnberg, Urteil vom 12.11.2014 – 2 Sa 317/14

Leitsatz

Jedenfalls, wenn sich die Abfindung in einem Sozialplan nach Einkommen und Betriebs-zugehörigkeit bestimmt, stellt die Festlegung eines absoluten Höchstbetrages für eine Abfindung (sog. Kappungsgrenze) keine Benachteiligung wegen des Alters dar.

§ 75 BetrVG, § 112 BetrVG, § 1 AGG, § 3 AGG, § 7 AGG

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Der am 28.06.1960 geborene, verheiratete und zwei erwachsenen Söhnen zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit 20.04.1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zuletzt als Leiter Entwicklung bei einer durchschnittlichen Monatsvergütung von € 6.672,33 brutto beschäftigt.

Wegen der geplanten Stilllegung des Betriebes in G… schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat unter dem Datum 22.03.2012 einen Interessenausgleich mit Namensliste (Bl. 25 - 35 d.A.) sowie einen Sozialplan vom selben Tag (Bl. 36 - 40 d.A.).

Der Sozialplan lautet auszugsweise wie folgt:

㤠1

Geltungsbereich

1. Die Regelungen dieses Sozialplanes gelten für alle Arbeitnehmer i.S. des § 5 Abs. 1 BetrVG, die am 01.03.2012 in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis zum Unternehmen standen und von der in dem Interessenausgleich definierten Betriebsänderung betroffen sind.

§ 3

Abfindungen

1. Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Sozialplanes fallen, erhalten eine Abfindung entsprechend dem nachstehenden Regelwerk.

2. Der Gesamtbetrag aller Abfindungen darf den Betrag 2.204.691,69 Mio. (in Worten: zwei Millionen zweihundertviertausendsechshunderteinundneunzig) Euro nicht übersteigen.

3. Der Gesamtabfindungsbetrag aus Grund-, Sockel- und Steigerungsbetrag darf nicht höher liegen als 100.000,00 (in Worten: einhunderttausend) EUR.

4. Die individuelle Abfindung errechnet sich nach folgenden Regelungen:

4.1 Sockelbetrag

Jeder Arbeitnehmer erhält - vorbehaltlich der Regelungen des § 3 Ziffer 1 - einen Sockelbetrag in Höhe von 2.500,00 (in Worten: zweitausendfünfhundert) EUR brutto.

4.2 Grundbetrag

Jeder Arbeitnehmer erhält - vorbehaltlich der Regelungen des § 3 Ziffer 1 - zusätzlich zum Sockelbetrag gemäß Ziffer 4.1 einen Abfindungsgrundbetrag. Der Grundbetrag errechnet sich wie folgt:

Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsgehalt x 0,85.

4.3 Steigerungsbeträge

Über den Grund- und Sockelbetrag hinaus erhalten Arbeitnehmer unter den nachfolgend genannten Voraussetzungen Brutto-Zuschläge auf den Grundbetrag:

•Unterhaltspflichtige Kinder

Für jedes zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf der Lohnsteuerkarte eingetragene unterhaltspflichtige Kind 2.500,00 (in Worten: zweitausendfünfhundert) EUR.

•Schwerbehinderte oder Gleichgestellte, die zum 31.03.2012 Kündigungsschutz nach §§ 68 ff. SGB IX besitzen, 5.000,00 (in Worten: fünftausend) EUR.

…….“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sozialplans wird auf Blatt 36 bis 40 der Akten verwiesen.

Der Kläger wurde durch die Beklagte unter Einhaltung einer neunmonatigen Kündigungsfrist zum 31.12.2012 gekündigt. Sein Name findet sich auf der dem Interessenausgleich angefügten Namensliste (Bl. 34 d.A.). Der Kläger erhielt unter Berücksichtigung der in § 3 Nr. 3 des Sozialplans festgelegten Höchstbetragsgrenze eine Sozialplanabfindung in Höhe von € 100.000,-- ausbezahlt. Ohne diese Höchstbetragsgrenze betrüge die Abfindung nach dem Sozialplan € 161.868,59.

Der Kläger hat bereits erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Begrenzung der Abfindung auf € 100.000,-- eine mittelbare Altersdiskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG darstelle. Da er auch kein leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sei, stünde ihm daher eine weitere Abfindung in Höhe von € 61.868,59 zu.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Kläger leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gewesen sei, nicht unter die Regelungen des Sozialplans falle und daher zur Rückzahlung von € 100.000,-- verpflichtet sei. Im Übrigen stelle die Begrenzung der Abfindung auf € 100.000,-- keine Altersdiskriminierung dar.

Das Arbeitsgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen. Dem Kläger stehe ein weitergehender Zahlungsanspruch nicht zu, da er leitender Angestellter sei. Der Beklagten sei es allerdings nach Treu und Glauben verwehrt, die bereits ausgezahlten € 100.000,-- zurückzuverlangen.

Das am 06.11.2013 verkündete Urteil ging ausweislich des Vermerks des Vorsitzenden Richters vollständig und unterschrieben am 06.04.2014 zur Geschäftsstelle und wurde dem Klägervertreter am 09.04.2014 zugestellt.

Mit Berufungsschrift vom 05.05.2014, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage, legte der Klägervertreter Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 23.05.2014, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am selben Tage. Die Beklagte legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts kein Rechtsmittel ein.

Der Kläger hält an seinem Standpunkt fest, dass er nicht leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sei. Das Abstellen auf die Stellenbeschreibung bzw. die Bezeichnung der Stelle des Klägers mit „Abteilungsleitung/Entwicklung“ sei nicht geeignet, seine Eigenschaft als leitender Angestellter festzustellen. Dies gelte insbesondere deshalb, da die Abteilung des Klägers dem Bereich Engineering sowohl fachlich als auch disziplinarisch unterstellt gewesen sei. Die Entwicklungsabteilung sei keine tragende Säule im Betrieb der Beklagten gewesen. Bestritten werde, dass der Kläger direkt an den Geschäftsführer der Beklagten berichtet habe und bei seiner Tätigkeit einen beachtlichen Teilbereich unternehmerischer Gesamtaufgaben wahrgenommen habe. Ebenso werde bestritten, dass der Kläger im Wesentlichen frei von Weisungen gehandelt habe oder die unternehmerischen Entscheidungen maßgeblich beeinflusst habe. Außerdem habe der Kläger im Jahr 2010 an den zuletzt stattgefundenen Betriebsratswahlen teilgenommen. Wie sich aus einer Fotografie der Geschäftsleitung der Beklagten anlässlich des 25-jährigen Firmenjubiläums ergebe, sei der Kläger nicht Mitglied der Geschäftsleitung der Beklagten gewesen. Er sei nicht abgelichtet worden.

Mit der Begrenzung der Sozialplanabfindung auf € 100.000,-- sei der Kläger mittelbar benachteiligt worden. Neben dem Kläger seien von der Kappungsgrenze nur noch ein Herr F…, geb. am 25.07.1963, Betriebszugehörigkeitszeit seit 02.04.1984 und ein Herr L…, geb. am 29.03.1960, Betriebszugehörigkeitszeit seit 28.02.1983, betroffen worden. Alle anderen Arbeitnehmer der Beklagten seien jünger und wiesen infolgedessen eine weitaus geringere Betriebszugehörigkeit auf, so dass sich bei allen anderen die Kappungsgrenze nicht in benachteiligender Weise zu deren Lasten auswirke. Unter Zugrundelegung der vom EuGH im Urteil vom 06.12.2012 - C-152/11 - aufgestellten Grundsätze, wonach eine Sozialplanabfindung für rentennahe Jahrgänge zwar nach Artikel 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie EG 2000/78 gerechtfertigterweise absinken könne, werde der Kläger wegen seines Alters benachteiligt, da er gerade nicht zur Personengruppe der rentennahen Jahrgänge gehöre. Aufgrund der Tatsache, dass die Abfindungshöhe bei Errechnung des Grundbetrages aus den Parametern Betriebszugehörigkeit, Bruttomonatsgehalt und Faktor (0,85) errechnet werde, wirke sich die in § 3 Ziffer 3 des Sozialplans zugrunde gelegte Kappungsgrenze vor allem auf die Arbeitnehmer mittelbar benachteiligend aus, die aufgrund ihres überdurchschnittlichen Alters eine höhere Betriebszugehörigkeitszeit bei der Beklagten aufweisen können und die eine mit dem Kläger vergleichbare Vergütung bzw. zumindest überdurchschnittliche Vergütung bezogen hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes genüge für eine mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG, dass die angegriffenen Maßnahmen eine Benachteiligung auslösen „können“, es genüge also eine hypothetische Betrachtungsweise.

Soweit die Beklagte darlegen lasse, dass der Kläger mit großem Abstand der am zweitbesten verdienende vom Sozialplan erfasste Mitarbeiter der Beklagten gewesen sei und dies der Grund dafür sei, dass sich eine außerproportional hohe Abfindung errechnet habe, so sei festzuhalten, dass die in der Vergangenheit bezogene Vergütung kein Kriterium darstelle, welches eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulassen würde.

Der Kläger stellt daher folgende Anträge:

I. Auf die Berufung des Klägers und Berufungsklägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg – Gerichtstag Weißenburg – vom 06.11.2013 abgeändert. Es wird nach den folgenden Schlussanträgen I. Instanz erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die bereits abgerechnete Sozialplanabfindung in Höhe von 100.000,00 € brutto weitere 61.868,59 € brutto Sozialplanabfindung zu bezahlen.

II. Die Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Höchstvorsorglich und hilfsweise im Falle des Unterliegens mit den Klageanträgen I und II beantragen wir bereits zum jetzigen Zeitpunkt die gesonderte Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass der Kläger leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen sei. Dies ergebe sich insbesondere aus der Stellenbeschreibung (Anlage K 5, Bl. 93 - 95 d.A.). Die Tätigkeit des Klägers entspreche dieser Stellenbeschreibung. Die Beweislast dafür, dass der Kläger kein leitender Angestellter sei, sondern unter den Sozialplan falle, liege beim Kläger.

Eine mittelbare Benachteiligung des Klägers liege nicht vor. Es habe ein sachliches Kriterium für die Vereinbarung der „Deckelung“ gegeben. Der Kläger sei mit großem Abstand der am zweitbesten verdienende Mitarbeiter der Beklagten gewesen, was ohne „Deckel“ zu einer überproportional hohen Abfindung geführt hätte. Die Betriebszugehörigkeit oder das Alter des Klägers hätten insoweit keine Rolle gespielt. Die Entscheidung des EuGH vom 06.12.2012 sei mit dem vorliegenden Rechtsstreit nicht vergleichbar, denn dort sei auf die Rentennähe der sozialplanberechtigten Mitarbeiter abgestellt worden.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 23.05.2014 (Bl. 175 - 201 d.A.) und vom 08.08.2014 (Bl. 230 - 253 d.A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 04.08.2014 (Bl. 225 - 229 d.A.) und vom 06.11.2014 (Bl. 261 - 267 d.A.) verwiesen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

 

Aus den Gründen

Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf einen Höchstbetrag von € 100.000,-- (§ 3 Nr. 3 des Sozialplans) verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere liegt eine Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters nicht vor.

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

B.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Widerklage fiel mangels Rechtsmitteleinlegung nicht zur Entscheidung an. Dem Kläger steht ein weitergehender Abfindungsanspruch nicht zu. Die Höchstbegrenzungsregelung des Sozialplans ist wirksam.

I. Die Ansprüche des Klägers aus dem Sozialplan sind erfüllt. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers mit € 100.000,-- zutreffend berechnet und ausgezahlt.

II. Die Höchstbegrenzungsregelung in § 3 Nr. 3 des Sozialplans verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Dabei unterliegen Sozialpläne, wie andere Betriebsvereinbarungen auch, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Das verpflichtet die Gerichte, rechtswidrige Sozialplangestaltungen zu verhindern, nicht hingegen, bessere Lösungen zu finden als die Betriebsparteien

1. Die Höchstbegrenzungsregelung verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

a. Dieser auf Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende Grundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck. Daher müssen sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren Funktion orientieren. Sozialpläne haben eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die darin vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die künftigen Nachteile ausgleichen, die Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Bei der Ausgestaltung solcher Leistungen stehen den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume zu, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen (st. Rspr., z.B. BAG v. 07.06.2011 - 1 AZR 34/10; v. 26.05.2009 - 1 AZR 198/08).

Geldleistungen eines Sozialplans in Form einer Abfindung sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Berechnet sich die Abfindung nach der Dauer der Beschäftigungszeit und dem Verdienst, können die Betriebsparteien eine daraus resultierende überproportionale Begünstigung von Beschäftigten mit langjähriger Betriebszugehörigkeit durch eine Höchstbegrenzung zurückführen, um allen Betroffenen Arbeitnehmern eine mit dem Zweck einer Sozialplanabfindung in Einklang stehende verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen einer Betriebsänderung zukommen zu lassen (BAG v. 21.07.2009 - 1 AZR 566/08, Rdnr. 14 m.w.N., zitiert nach juris). Einer solchen Kappungsgrenze liegt die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise mit dem entsprechenden Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert werden (BAG a.a.O.).

b. Hiernach verstößt die mit der Höchstbetragsregelung eingeführte Kappungsgrenze von € 100.000,-- für die Sozialplanabfindung nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dies gilt jedenfalls insoweit als der Sockel- und der Grundbetrag der Sozialplanabfindung nach Nummern 4.1 und 4.2 des Sozialplans betroffen sind. Steigerungsbeträge nach 4.3 des Sozialplans macht der Kläger nicht geltend.

Die Gruppenbildung für die Höchstbetragsregelung, jedenfalls bezogen auf den Sockelbetrag und den Grundbetrag, erfolgt danach, dass die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ab einem bestimmten Höchstbetrag der Abfindung - unabhängig von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Verdienst - gleichbehandelt werden. Zweck einer solchen Begrenzung ist es, eine Bevorzugung derjenigen Mitarbeiter zu vermeiden, die ansonsten allein wegen ihrer langjährigen Beschäftigungsdauer einen Vorteil erhalten, der keine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zu einem ungewissen neuen Arbeitsverhältnis oder den Bezug einer Altersrente ist. Das zu beurteilen liegt in der Einschätzungsbefugnis der Betriebsparteien, die nicht gehalten sind, die jeweiligen Nachteile individuell zu prognostizieren und auszugleichen. Hier haben die Betriebsparteien den Höchstbetrag der Gesamtabfindung auf € 100.000,-- beschränkt. Bei dieser Summe konnten sie davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Folgen, die Beschäftigte etwa bei einer Arbeitslosigkeit bis zum Erreichen des Rentenalters für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 237 SGB VI) zu tragen haben, noch substanziell abgemildert werden. Dem steht nicht entgegen, dass innerhalb der von der Kappungsgrenze betroffene lebensältere Arbeitnehmer bei gleicher Beschäftigungszeit einen kürzeren Zeitraum bis zum nächstmöglichen Rentenbezug zu überbrücken haben (BAG v. 21.07.2009 - 1 AZR 566/08, Rdnr. 17, zitiert nach juris).

Die Höchstgrenze bezweckt nicht die Beschränkung einer Leistung, die auf die Entlohnung von Betriebstreue gerichtet und deshalb nicht ohne Weiteres kappungsfähig wäre. Einem solchen Zweck dient die Abfindung nicht. Zwar können die Betriebsparteien für die Bemessung der Abfindung trotz der zukunftsbezogenen Ausgleichsfunktion des Sozialplans auch auf das vergangenheitsbezogene Kriterium der Betriebszugehörigkeit abstellen. Denn zum einen wird der durch den Sozialplan auszugleichende und abzumildernde Verlust des Arbeitsplatzes maßgeblich auch durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit bestimmt. Zum anderen liegt es innerhalb des Beurteilungsspielraums der Betriebsparteien, typisierend davon auszugehen, dass sich mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit die Qualifikation des Arbeitnehmers zunehmend auf die spezifischen Bedürfnisse des bisherigen Beschäftigungsbetriebs verengt und damit seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt abnehmen. Deshalb wird allein durch das Abstellen auf die Beschäftigungsdauer für die Bemessung der Abfindung eine solche Leistung nicht zu einer bloßen Entschädigung für den Verlust des Besitzstandes oder zu einer nachträglichen Vergütung der in der Vergangenheit geleisteten Dienste (BAG, a.a.O., Rdnr. 18). Vielmehr dient die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit in der Vergangenheit der Prognose der künftigen wirtschaftlichen Nachteile.

2. Die Höchstbetragsgrenze des § 3 Nr. 3 des Sozialplans verstößt auch nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung (§ 75 Abs. 1 BetrVG, § 1 AGG). § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet im Zusammenspiel mit § 7 Abs. 2 AGG Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen.

a. Nach § 1 AGG sollen durch das Gesetz unter anderem Benachteiligungen aus Gründen des Alters verhindert oder beseitigt werden. Gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG - in der seit dem 18.08.2006 geltenden Fassung - haben auch Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihres Alters unterbleibt. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn die Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, sofern nicht die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel hierzu angemessen und erforderlich sind. § 10 AGG regelt unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Diskriminierungstatbestandes ausdrücklich die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters. § 10 Satz 1 und 2 AGG gestatten - in weitgehend gleicher Formulierung wie § 3 Abs. 2 AGG - die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG können die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in der sie die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigten, oder auch Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausschließen, weil diese, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

b. Nach diesen Grundsätzen führt die Höchstbetragsregelung in § 3 Abs. 3 des Sozialplans weder zu einer unmittelbaren noch zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Durch eine Höchstbetragsregelung, die nicht nach dem Alter differenziert, werden Arbeitnehmer wegen ihres Lebensalters unmittelbar weder bevorzugt noch benachteiligt. Auch eine mittelbare Altersdiskriminierung liegt nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn von der Höchstbegrenzung - wie vorliegend - typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sind. Die älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbegrenzungsklausel nicht anders, sondern genauso behandelt wie die jüngeren (BAG v. 21.07.2009, a.a.O., Rdnr. 22). Eine Höchstbetragsklausel benachteiligt ältere Arbeitnehmer nicht, sondern begrenzt vielmehr deren mit der Altersstaffelung verbundene Bevorzugung (Fitting, BetrVG, 27. Auflage 2014, §§ 112, 112a Rdnr. 156). Dies liegt im Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Auch bei einem bereits nach dem AGG zu beurteilenden Sozialplan hat das BAG eine Höchstbegrenzung nicht beanstandet (BAG v. 26.05.2009 - 1 AZR 198/08; Fitting, a.a.O.; ebenso GK-BetrVG, 10. Auflage, §§ 112, 112a BetrVG Rdnr. 383; DKK, 11. Auflage, § 112a Rdnr. 49e;  HGWNRH , 9. Auflage 2014, § 112 Rdnr. 318; Richardi, BetrVG, 14. Auflage 2011, § 112 BetrVG Rdnr. 115; Düwell, BetrVG, 4. Auflage 2014, §§ 112, 112a BetrVG Rdnr. 37).

Die vom Kläger ausführlich dargelegten Grundsätze im Urteil des EuGH vom 06.12.2012 - C-152/11 treffen auf den vorliegenden Fall nicht zu. Die Fallgestaltung war eine völlig andere. Dort ging es um die Frage, ob für rentennahe Jahrgänge eine niedrigere Abfindung vorgesehen werden darf als für jüngere Mitarbeiter. Die Höchstbetragsregelung führt jedoch nicht zu einer geringeren Abfindung, sondern begrenzt die Abfindung lediglich nach oben. Eine Schlechterstellung ist nicht erkennbar. Auch der Kläger hat keinen einzigen Mitarbeiter benannt, der etwa eine höhere Abfindung als er bekommen hätte oder bei hypothetischer Betrachtungsweise hätte bekommen können.

Da schon keine Benachteiligung wegen des Alters vorliegt, ist die Frage, ob eine solche Benachteiligung nach § 10 AGG oder im Rahmen des § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt wäre, nicht zu beantworten. Eine solche Frage stellt sich nicht.

3. Dass die Höchstbetragsregelung in § 3 Nr. 3 des Sozialplans gegen sonstige höherrangigen Rechtsvorschriften verstoßen könnte, ist weder gerügt noch sonst ersichtlich. Das Arbeitsgericht hat daher die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

III. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob der Kläger etwa als leitender Angestellter nicht unter die Sozialplanregelungen gefallen ist. Die Widerklage ist nicht in die Berufung gelangt. Der Anspruch auf eine Sozialplanabfindung in Höhe von € 100.000,-- ist damit rechtskräftig festgestellt. Ein höherer Abfindungsbetrag steht dem Kläger wegen der Rechtmäßigkeit der Höchstbetragsregelung nicht zu

C.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Es besteht kein gesetzlicher Grund, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

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