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Arbeitsrecht
23.02.2017
Arbeitsrecht
Sächsisches LAG: Gegenstandswert bei Weiterbeschäftigungsantrag als unechter Hilfsantrag

Sächsisches LAG, Beschluss vom 25.1.2017 – 4 Ta 213/16 (9)

Volltext: BB-ONLINE BBL2017-500-7

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Ein Weiterbeschäftigungsantrag ist hinsichtlich Streit- und Gegenstandswert nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn er als uneigentlicher Hilfsantrag gestellt, über ihn nicht sachlich entschieden worden ist und/oder ein Vergleich keine Regelung über ihn enthält.

Sachverhalt

I.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.

Im Ausgangsverfahren wandte sich der Kläger, der seit 23.02.2015 bei der Beklagten als Qualitätsprüfer zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von durchschnittlich 2.195,09 € beschäftigt war, gegen eine ordentliche Kündigung vom 14.12.2015 zum 15.01.2016 und verlangte für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Qualitätsprüfer zu verurteilen.

Das Verfahren endete durch vom Arbeitsgericht gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 2. Alt. ZPO festgestellten Vergleich vom 06.04.2016, wonach u. a. das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 14.12.2015 mit Ablauf des 15.01.2016 sein Ende fand und die Beklagte dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 4.500,00 € zahlte.

Auf Antrag des Klägervertreters hat das Arbeitsgericht nach Anhörung sämtlicher Beteiligter mit Beschluss vom 28.06.2016, dem Beteiligten zu 1. zugestellt am 01.07.2016, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 6.585,27 € und für den Vergleich auf 8.780,36 € festgesetzt, wobei es entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts eine Bewertung des hilfsweise gestellten Weiterbeschäftigungsantrags ausdrücklich ablehnte.

Der hiergegen eingelegten Beschwerde des Klägervertreters vom 15.07.2016, mit der dieser auch die streitwertmäßige Bewertung des hilfsweise gestellten Weiterbeschäftigungsantrags begehrt, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 22.07.2016 nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist statthaft (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) und zulässig, da sie ausweislich seines Schriftsatzes vom 15.07.2016 eine Streitwertheraufsetzung zum Ziel hat.

Sie ist auch gemäß § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Der Beschwerdewert von mehr als 200,00 € ist ebenfalls erreicht.

2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Der neben dem Kündigungsschutzantrag hilfsweise gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist weder für den Verfahrenswert noch für den Vergleichswert streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

a) Die erkennende Kammer hat bislang angenommen, dass ein kumulativ gestellter allgemeiner Weiterbeschäftigungsantrag grundsätzlich streitwerterhöhend zu berücksichtigen sei, und zwar unabhängig davon, ob über ihn positiv entschieden worden ist oder nicht (vgl. statt vieler: Beschlüsse vom 01.04.2015 – 4 Ta

275/14 und vom 11.05.2015 – 4 Ta 268/14 –).

b) Daran wird nach erneuter Überprüfung nicht länger festgehalten.

aa) Hinsichtlich der Berücksichtigung des Weiterbeschäftigungsantrags folgt die Kammer dem Bundesarbeitsgericht, das in den Entscheidungen vom 30.08.2011 (2 AZR 668/10) und vom 13.08.2014 (2 AZR 871/12) entschieden hat, dass der Weiterbeschäftigungsantrag auch dann, wenn er nicht als uneigentlicher Hilfsantrag gestellt wurde, stets als solcher auszulegen ist und er nur dann streitwertmäßig zu berücksichtigen ist, wenn über ihn positiv entschieden ist oder ein Vergleich eine Regelung darüber enthält.

Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgen insbesondere auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 30.12.2015 – 5 Ta 71/15 – Juris m. w. N.) und das Landesarbeitsgericht Hamm (09.12.2013 – 14 Ta 347/13 – Juris; vgl. auch Ziemann, JurisPR-ArbG 20/2013 Anm. 2). Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in der zitierten Entscheidung die Richtigkeit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausführlich begründet. Dem folgt die erkennende Kammer und nimmt deshalb auf diese Entscheidung Bezug.

Die Kammer folgt dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg auch darin, dass eine sachliche Regelung zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag in einem Vergleich dann gegeben ist, wenn der Vergleich Vereinbarungen über den Zeitraum der Weiterbeschäftigung ab dem ursprünglich gesetzten Beendigungszeitpunkt enthält und der vereinbarte spätere Beendigungszeitpunkt zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht verstrichen ist, da eine tatsächliche Beschäftigung nur für die Zukunft regelbar ist. Auch dem folgt die erkennende Kammer.

bb) Nach diesen Maßstäben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines zusätzlichen Bruttomonatsgehalts gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG liegen hier nicht vor.

Denn eine Entscheidung über den hilfsweise geltend gemachten Weiterbeschäftigungsantrag ist hier nicht erfolgt, so dass in vollem Einklang mit dem Inhalt des aktuellen Streitwertkatalogs (Ziffer 1 Nr. 18) vom 04.05.2016 der Weiterbeschäftigungsantrag nicht zu bewerten ist.

Der gestellte Weiterbeschäftigungsantrag fällt auch bei der Bemessung des Vergleichswerts gemäß § 45 Abs. 4 GKG nicht an. Ihn betreffend haben die Parteien im Vergleich keine Vereinbarung getroffen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG vergleichbar wäre (vgl. BAG vom 13.08.2014 – 2 AZB 871/12 – NZA 2014, 1359). Dies wäre dann der Fall, wenn (zumindest zeitweise) ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Fortbestand des Arbeitsverhältnisses verabredet worden wäre.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung vereinbart.

c) Eine Erhöhung des Vergleichswerts kommt daher ebenfalls nicht in Betracht.

Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass der Gegenstandswert für den im Verfahren geltend gemachten Bestandsschutzantrag drei Monatsgehälter á 2.195,09 €, mithin 6.585,27 € beträgt und damit auch eine Erhöhung des Vergleichswerts um ein weiteres Bruttomonatsgehalt nicht in Betracht kommt.

Nach alledem war daher die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 28.06.2016 zurückzuweisen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens errechnet sich aus der Differenz des festgesetzten zu dem von dem Beteiligten zu 1. begehrten wesentlich höheren Gegenstandswert im Hinblick auf die angefallenen Anwaltsgebühren.

Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§ 568 Satz 1 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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