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Arbeitsrecht
29.03.2017
Arbeitsrecht
BAG: Lehrereingruppierung - Eingruppierungserlass Niedersachsen - AGB-Kontrolle - Rechtsfolge einer intransparenten Regelung - Teilbarkeit einer AGB-Klausel - übliche Vergütung

Das BAG hat mit Urteil vom 26.1.2017 – 6 AZR 671/15 – wie folgt entschieden:

1. Das Gebot der Abschlusstransparenz soll die zutreffende Information des Arbeitnehmers über die Umstände sicherstellen, die es ihm ermöglichen, die Vor- und Nachteile der beabsichtigten vertraglichen Abreden für den Vertragsabschluss zu beurteilen. Bei den an eine hinreichende Abschlusstransparenz zu stellenden Anforderungen ist zu berücksichtigen, dass im Bereich der Hauptleistungen keine Inhaltskontrolle, sondern nur eine Transparenzkontrolle erfolgt. Hinreichende Abschlusstransparenz ist die Grundvoraussetzung für die Freiheit der Hauptabreden von einer Inhaltskontrolle. Für den Arbeitgeber dürfen keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (Bestimmtheitsgebot). Darum müssen bei Begründung des Arbeitsverhältnisses gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen die vom Arbeitgeber zu zahlende Vergütung so genau umschreiben, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, „was auf ihn zukommt“.

2. Bei der Kontrolle, ob vom Arbeitgeber einseitig gestellte Entgeltregelungen den Anforderungen an das Gebot der Abschlusstransparenz genügen, ist zu berücksichtigen, dass der Regelungsbereich von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Regel enger und branchenbezogener als der von Gesetzen ist, so dass vom Verwender konkretere Formulierungen als vom Gesetzgeber verlangt werden können und müssen. Auch sind strengere Maßstäbe als an Tarifverträge zu stellen, die aufgrund der Vermutung der Angemessenheit, die den Ergebnissen kollektiv ausgehandelter Tarifvereinbarungen zukommt, der AGB-Kontrolle gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB entzogen sind.

3. Ziff. 32.1 der Anlage des Eingruppierungserlasses war intransparent. Ein Stellenbewerber konnte anhand dieser Regelung auch unter Heranziehung der ergänzenden Definition in Ziff. 2.3 Unterabs. 3 des Eingruppierungserlasses nicht erkennen, ob er einen für die auszuübende Unterrichtstätigkeit „geeigneten“ Studienabschluss erworben hatte und die Anforderungen für die damit verbundene Vergütung erfüllte.

4. Notwendige Folge einer Verletzung des Gebots der Abschlusstransparenz ist die Unangemessenheit der Klausel, weil die unzureichende Information über die für den Abschluss des Vertrags essentielle Höhe des Entgelts abstrakt den Verlust von Entscheidungsalternativen nach sich zieht.

5. Fasst der Verwender mehrere Bestimmungen, unter Umständen sogar in einem Satz, zusammen, können materiell mehrere selbständige Regelungen vorliegen, die nur formal verbunden sind. In einem solchen Fall einer materiellen Klauselmehrheit sind die einzelnen Bestimmungen jeweils gesondert einer AGB-Kontrolle zu unterziehen. Das verstößt nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.

6. Wurde in Ziff. 32.1 der Anlage des Eingruppierungserlasses das intransparente Eingruppierungsmerkmal der „Geeignetheit“ des abgeschlossenen Hochschulstudiums für die Unterrichtstätigkeit gestrichen, verblieben mit dem Erfordernis des Unterrichts an einer bestimmten Schulform und in wissenschaftlichen Fächern mit einem bestimmten Zeitanteil sowie dem Erfordernis eines abgeschlossenen Hochschulstudiums zwei tätigkeitsbezogene und eine ausbildungsbezogene Voraussetzung für eine Eingruppierung nach dieser Regelung. Diese verbleibenden Eingruppierungsmerkmale waren hinreichend transparent und damit wirksam. Darüber hinaus blieb Ziff. 32 der Anlage des Eingruppierungserlasses auch nach der Streichung des intransparenten Merkmals eine sinnvolle, nach der Ausbildung gestaffelte Entgeltregelung für die davon erfassten Lehrkräfte, die zeitlich mindestens zur Hälfte in wissenschaftlichen Fächern unterrichteten. Deshalb hatten Lehrkräfte mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium, die mindestens zur Hälfte in wissenschaftlichen Fächern unterrichteten, bis zur Aufhebung des Erlasses am 31. Juli 2015 Anspruch auf die im Erlass für ihre Schulform genannte Vergütung.

7. Zudem war diese Vergütung die übliche iSv. § 612 Abs. 2 BGB. Der Eingruppierungserlass sah in Ziff. 32.1 bis Ziff. 32.4 seiner Anlage eine nach dem individuellen Ausbildungsniveau und dessen Wertigkeit für die Unterrichtstätigkeit abgestufte Vergütung vor. Lehrer an Grund- und Hauptschulen, Sonderschulen und Realschulen mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium, die mindestens zur Hälfte Unterricht in wissenschaftlichen Fächern erteilten, hatten danach stets Anspruch auf eine Vergütung, die eine Entgeltgruppe geringer war als diejenige, aus der eine Lehrkraft mit der Befähigung für die Schulform, an der die Lehrkraft unterrichtete, vergütet wurde. Auch dies führte für den betroffenen Personenkreis zu einem Entgeltanspruch aus der Entgeltgruppe 12 TV-L.

8. Ist nach dem Parteiwillen eine Entgeltvereinbarung durch deklaratorische Verweisung auf ein anderes Regelwerk getroffen, wird die Entgeltvereinbarung nicht dadurch zu einer konstitutiven, dass die in Bezug genommene Entgeltregelung intransparent ist. Die Rechtsfolge dieser Intransparenz ist allein §§ 306 ff. BGB zu entnehmen. Das gilt auch dann, wenn die sich aus dem in Bezug genommenen Regelwerk nach Auffassung des Arbeitgebers ergebende Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag genannt ist.

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